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Im Falle einer Mieterstreckung sind verschiedene Interessen abzuwägen

Nach einer Kündigung kann der Mieter unter bestimmten Möglichkeit eine Fristerstreckung verlangen. Schlichtungsbehörden und allenfalls Gerichte entscheiden anhand einer Gesamtbetrachtung über Art und Dauer der Erstreckung. Das Hauptziel ist jedoch, negative Folgen der Kündigung für den Mieter zu mildern.

Wohnen
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24.09.20 - 11:19 Uhr
Bevor es definitiv ans Zügeln geht, kann der Mieter eine Mieterstreckung verlangen – dabei muss er aber gute Gründe haben.
Bevor es definitiv ans Zügeln geht, kann der Mieter eine Mieterstreckung verlangen – dabei muss er aber gute Gründe haben.
Pixabay

von Tobias Brändli, Rechtsanwalt und Vizepräsident des Regionalgerichts Landquart

Eine Kündigung von Wohn- und Geschäftsräumen heisst nicht zwingend, dass das Mietverhältnis auf das Ende der vereinbarten oder ortsüblichen Kündigungsfrist auch definitiv endet. Der Mieter kann bei der Schlichtungsbehörde eine Erstreckung des Mietverhältnisses bis zu vier Jahren verlangen.

Verschiedene Interessen abwägen

Der Vermieter ist von Gesetzes wegen verpflichtet, das Mietverhältnis auf einem Formular zu kündigen, das vom Kanton genehmigt ist und das angibt, wie der Mieter vorzugehen hat, wenn er die Kündigung anfechten oder eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen will (Art. 266l Abs. 2 OR). Der Vermieter muss also den Mieter auf sein Erstreckungsrecht hinweisen, wenn er gültig kündigen möchte.
Der Mieter kann nun, wenn die Beendigung der Miete für ihn oder seine Familie eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre, die Erstreckung eines befristeten oder unbefristeten Mietverhältnisses verlangen (Art. 272 Abs. 1 OR). In der Folge hat die zuständige Behörde (zunächst die Schlichtungsbehörde und dann das Gericht) eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei sind verschiedene Umstände zu würdigen, um den Anspruch einer Erstreckung zu prüfen sowie deren Dauer festzulegen.

Gründe für eine Erstreckung der Miete

Entscheidend sind dabei insbesondere die Umstände des Vertragsabschlusses und der Inhalt des Vertrags, die Dauer des Mietverhältnisses, die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und deren Verhalten, ein allfälliger Eigenbedarf des Vermieters sowie die Dringlichkeit eines Eigenbedarfs und die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume (Art. 272 Abs. 2 OR). Es können aber auch weitere Gründe dazu führen, dass der Mieter eine Erstreckung des Mietverhältnisses erwirken kann.

Eine zweite Erstreckung ist möglich

Findet der Mieter auch während der Erstreckung des Mietverhältnisses keine geeignete Alternative, so kann er sogar eine zweite Erstreckung verlangen, wobei er der zuständigen Behörde aber zusätzlich aufzuzeigen hat, welche Bemühungen er unternommen hat, um die geltend gemachte Härte abzuwenden (Art. 272 Abs. 3 OR).

Negative Folgen mildern, Zeit lassen

Bei der Festlegung der Art und Dauer der Erstreckung steht dem Gericht ein weiter Ermessensspielraum zu. Wie die vom Gesetz aufgestellten Kriterien zu gewichten sind, hat das Gericht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu würdigen. Sinn und Zweck der Bestimmung ist und bleibt, die Folgen der Vertragsauflösung für die Mietpartei zu mildern, indem ihr mehr Zeit für die mit der Auflösung des Mietverhältnisses erforderliche Neuorientierung gelassen wird. Vor allem bei langjährigen Mietern muss sich der Vermieter grundsätzlich darauf einstellen, dass das Mietverhältnis nach einer Kündigung für einige Zeit erstreckt wird.
 

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