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5G-Ausbau steht auf rechtlich wackligen Beinen 

Die Zeiten, in denen 5G ohne das Wissen der Bevölkerung bewilligt werden konnte, sind vorderhand vorbei.  

Silvia
Kessler
25.09.21 - 04:30 Uhr
Wirtschaft

Was 5G-Kritikerinnen und -kritiker schon lange betonen, wird nun von der Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK) bestätigt: Der Ausbau auf die neue Mobilfunkgeneration 5G ist mehr als nur ein weiterer Schritt für ein schnelleres Internet. Zu diesem Schluss kommt ein von der Kommission selber in Auftrag gegebenes Gutachten. Die bisherige Bewilligungspraxis für adaptive Antennen könnte illegal sein, stellt dieses fest. Deshalb empfiehlt die BPUK nun den Kantonen, auch das Aufrüsten bestehender Mobilfunkanlagen mit adaptiven Antennen einem ordentlichen Baubewilligungsverfahren mit Einspracherecht zu unterstellen. 

Der Kurswechsel hängt mit der vor rund drei Jahren gestarteten Einführung des Mobilfunkstandards 5G zusammen. Durch die neue Technologie gelangen erstmals adaptive Antennen zum Einsatz. Im Gegensatz zu konventionellen Antennen strahlen diese mindestens 64 Signale parallel aus, die sich direkt auf den Nutzer fokussieren. Dieses Prinzip wird auch «Beamforming» genannt. Um einen raschen Ausbau des Mobilfunknetzes auf die neue Technologie nicht zu behindern, empfahl die Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz den Kantonen, auch Baugesuche für das Aufrüsten bestehender Mobilfunkanlagen mit adaptiven Antennen im beschleunigten Verfahren zu bewilligen. Solche sogenannten Bagatellgesuche müssen lediglich von den kantonalen Fachstellen in Bezug auf die Einhaltung der Anlagegrenzwerte überprüft werden. Öffentlich ausgeschrieben werden die Umrüstungsgesuche nicht, womit auch keine rechtliche Einsprachemöglichkeit besteht. 

Uneinige Akteure

Nun zweifelt die BPUK aber offenbar selber an der gängigen Praxis, sodass sie diese in einem Gutachten abklären liess. «Aus diesem Gutachten wird ersichtlich, dass aufgrund der vom Bund vorgegebenen Rechtsgrundlage adaptive Antennen nicht im sogenannten Bagatellverfahren ohne Rechtsweg genehmigt werden können», schreibt die Kommission in einer Mitteilung. Allerdings bestünden «zwischen den Akteuren» zurzeit unterschiedliche Auffassungen darüber. 

In einer Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der BPUK, des Departements für Umwelt, Energie und Verkehr sowie der Mobilfunkbetreiber sollen daher bis Ende Jahr «die offenen Fragen» geklärt werden, heisst es in der BPUK-Mitteilung weiter. Neben dem Schutz der Bevölkerung vor nichtionisierender Strahlung stehe die Rechts- und Planungssicherheit im Zentrum. Die Kommission empfiehlt den Kantonen, bis zum Abschluss der Beratungen die Bagatellverfahren auszusetzen.

Spiesse bleiben ungleich lang

In der Praxis bedeutet das, dass ab sofort auch das Umrüsten von konventionellen auf adaptive Antennen in den Gemeinden öffentlich ausgeschrieben werden muss. Ein Schritt, den der Verein Schutz vor Strahlung längst forderte. Adaptive Antennen dürften immer wieder bis zu zehnmal stärker strahlen, als die geltenden Grenzwerte erlaubten. «Änderungen, die räumliche Folgen haben oder die Umwelt zusätzlich beeinträchtigen, bedürfen einer Baubewilligung», stellt der Verein in seiner Reaktion auf die BPUK-Mitteilung fest. 

«Wir werden nun auch für die Umrüstung von konventionellen auf adaptive Antennen ein ordentliches Baubewilligungsverfahren verlangen», erklärt René Müller, beim Amt für Natur und Umwelt zuständig für den Bereich nichtionisierende Strahlung. Einsprachen gegen solche Vorhaben räumt er jedoch trotz geänderter Bewilligungspraxis wenig Chancen ein. Wenn die Abnahmemessungen des Kantons ergäben, dass die im Bundesgesetz festgehaltenen Anlagegrenzwerte eingehalten würden, seien die Baugesuche der Mobilfunkanbieter zu bewilligen. 

Silvia Kessler ist Redaktorin in der Redaktion Online/Zeitung. Im April 2002 stiess die gelernte Psychiatrieschwester zur Medienfamilie Südostschweiz. Seither gilt ihr Herzblut der täglichen Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Themen, Ereignissen und natürlich Menschen. Mehr Infos

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