×

Klimaschutzgesetz: Für den Schlussspurt steigt das Glarner Nein-Komitee aufs Dach

Bei einem Ja zum Klimaschutzgesetz werde es teuer, warnt das Glarner Nein-Komitee. Spät im Abstimmungskampf wirbt es auf dem Dach einer Bäckerei für Alternativen. 

Ueli
Weber
06.06.23 - 04:30 Uhr
Politik
Mit der Solaranlage im Hintergrund gegen das Klimaschutzgesetz: Remo Goethe (von links), Peter Rothlin, Thomas Tschudi und Hans Jenny machen Abstimmungskampf auf dem Dach von Jennys Bäckerei.
Mit der Solaranlage im Hintergrund gegen das Klimaschutzgesetz: Remo Goethe (von links), Peter Rothlin, Thomas Tschudi und Hans Jenny machen Abstimmungskampf auf dem Dach von Jennys Bäckerei.
Bild Ueli Weber

Zwei Wochen vor dem Abstimmungstermin zum Klimagesetz (und über einen Monat nach dem Ja-Komitee) gibt auch das Glarner Nein-Komitee ein Lebenszeichen von sich. Symbolträchtig hat es das Dach der Bäckerei-Konditorei «Cornetto» in Ennenda für seinen Medientermin ausgesucht. Dort glänzt nämlich an diesem Tag die Solaranlage in der Juni-Sonne, welche Bäckermeister und Komitee-Mitglied Hans Jenny installiert hat. Die Botschaft, die das Nein-Komitee damit unterstreichen will: Klimaschutz geht auch ohne zusätzliche Subventionen, dafür mit Selbstverantwortung (Wobei Jenny den kleinen Schönheitsfehler einräumt, dass er die Fördergelder für den Bau der Solaranlage nicht abgelehnt hat). 

Das Komitee ist SVP-lastiger besetzt, als es an diesem Vormittag scheint: So steigen Vize-Präsident Thomas Tschudi-Plaz und Landrat Peter Rothlin die Sprossen der Leiter hoch aufs Dach der Bäckerei. Mit FDP-Fraktionspräsident Hans Jenny und dem Präsident der Jungfreisinnigen, Remo Goethe, sind aber auch zwei Freisinnige dabei, welche sich entgegen der Ja-Parole der Kantonalpartei gegen das Klimagesetz engagieren. Komplettiert wird das Nein-Komitee mit vier weiteren SVPlern und je einem Vertreter des Automobilclubs Schweiz ACS, der Glarner Sektion des Autohändlerverbandes AGVS und des Glarner Kaminfegermeisterverbands und einem Forscher der eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa. 

«Nicht zu jedem Preis»

Die zweite Abstimmungsbotschaft, welche das Nein-Komitee auf dem Dach verbreitet: Ein Ja zum Klimaschutzgesetz wird teuer. SVP-Landrat Peter Rothlin sagt: «Guter Wille ja, aber nicht zu jedem Preis.» Er rechnet vor, dass die Annahme des Klimagesetzes einen Haushalt angeblich bis zu 4000 Franken kosten könnte, wenn dieser statt mit Öl mit immer teuererem grünem Strom heizen müsste. 

Doch funktioniert das Argument mit dem Blick ins Portemonnaie bei einer Glarner Hausbesitzerin, die ihre alte kaputte Öl- oder Gasheizung nach Annahme des kantonalen Energiegesetzes sowieso mit einer Wärmepumpe oder etwa einer Holzschnitzelheizung ersetzen muss? Sie würde mit dem Klimagesetz von höheren Subventionen beim Einbau einer neuen Heizung profitieren.

Tschudi räumt zwar ein, dass der Kanton Glarus mit seinem Öl- und Gasheizungsverbot ein Spezialfall sei. Goethe warnt aber: «Die kurzfristigen Subventionen werden langfristig durch die steigenden Energiekosten wieder aufgefressen.» Denn je mehr neue Wärmepumpen installiert werden, umso grösser würde deren Bedarf an Strom – und umso höher steige dessen Preis. 

«Klimaschutz funktioniert nur mit billigem Strom»

Statt mit dem «Giesskannenprinzip» solle man technologische Lösungen mit Steuererleichterungen fördern, sagt Goethe. Er zählt eine Reihe von Alternativen auf, mit denen der Treibhausgas-Ausstoss gesenkt werden soll. Schliesslich wolle man nicht nur als Verhinderer dastehen. 

Goethe nennt als Beispiel die «Blackout-Stoppen»-Initiative. Diese will den Bau oder das Betreiben von Atomkraftwerken wieder erlauben. Rothlin sagt: «Klimaschutz funktioniert nur mit billigem Strom.» Gleichzeitig bedrohten steigende Strompreise das lokale Gewerbe, warnt Jenny. 

Das Klimaschutzgesetz bezeichnet Rothlin als eine Art Trojanisches Pferd: «Mit dem Klimaschutzgesetz kommt nicht bloss Netto-Null bis 2050 ins Gesetz», sagt er. «Die darin festgelegten Ziele können und werden eingeklagt werden.» Diese Ziele seien dann aber nur mit Verboten erreichbar – entgegen der Behauptung, dass das Klimagesetz eben nicht auf Verbote, sondern auf Anreize setze. So fürchtet Jenny, dass er bald seine Gasheizung ersetzen müsste, welche die Öfen erhitzt, in denen die «Cornetto»-Brötchen gebacken werden – auch wenn diese noch einwandfrei funktioniere. 

«Auch unsere Kinder sind uns wichtig»

Doch das Komitee ist spät dran im Abstimmungskampf. Die Stimmzettel sind in den Haushalten angekommen, viele haben schon brieflich abgestimmt. Warum haben sie so lange gebraucht? Tschudi sagt, sie hätten bei vielen Verbänden noch abwarten müssen, welche Parolen diese fassen. Schliesslich habe man kein reines SVP-Komitee auf die Beine stellen wollen. 

Peter Rothlin bringt einen persönlicheren Grund vor, weshalb er sich im Nein-Komitee engagiert: «Ich fand die Leserbriefspalten in den ‹Glarner Nachrichten› immer unerträglicher. Ich sehe nicht ein, dass ich mich täglich schulmeistern lassen soll.»

Ein Gefühl, das auch Jenny umtreibt. «Auch uns sind unsere Kinder wichtig», sagt er. «Wir sind nicht die Schlechten im Land, weil wir angeblich etwas gegen die Umwelt haben.» Er glaube und hoffe auf eine schweigende Mehrheit. Am 18. Juni wird er wissen, ob er richtig lag. 

Ueli Weber ist stellvertretender Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er hat die Diplomausbildung Journalismus am MAZ absolviert und berichtet seit über zehn Jahren über das Glarnerland. Mehr Infos

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

billiger Strom heisst eben alle Ressourcen nutzen, hier fehlen die Windturbinen und bei jedem Bauernhof eine kleine Biogasanlage und Windturbine statt Güllenwiesen- Gestank . Brachen; Industieflachdächer mit günstigem Wohnraum aufstocken und Wind und PV drauf. Und nebenbei auch Seilbahnen können Strom produzieren....! Also Seilbahn Kompetenz " Zigerschlitz " für die ganze Welt. Alle oberen Seeen mit Seilbahn erschliessen. Klöntal, Obersee, Mettmen..

Mehr zu Politik MEHR
prolitteris