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Der Bischof verfügt neu über eine Schatzkammer

Das Domschatzmuseum im Bischöflichen Schloss in Chur steht kurz vor seiner Eröffnung. Neben 70 Glanzstücken aus dem Domschatz beeindrucken die Todesbilder aus dem Jahr 1543.

Valerio
Gerstlauer
11.08.20 - 04:30 Uhr
Kultur

Kamerabewehrt steuert ein Pulk Französisch sprechender Touristen auf die Kathedrale zu. Einige Individualisten scheren aus der Gruppe aus und erkunden den bischöflichen Hof auf eigene Faust. Andächtig und mit neugierigem Gesichtsausdruck stoppen sie vor dem Bischöflichen Schloss, mustern die barocke Fassade nach einem Zugang, der ihnen offen stünde. Doch diesen gibt es nicht. Noch nicht.

Einen Hinweis liefern den Touristen die Bauarbeiter, die Metallpfosten vor dem rechten Tor des Bischöflichen Schlosses im Boden versenken: Sie markieren den Eingang zum Domschatzmuseum, das am 29. August seine Tore für die Besucher öffnen wird (siehe Kasten). Eine Beschriftung und ein Roll-up-Banner sollen bis dahin ebenfalls auf das neue Museum aufmerksam machen.

Mitra und Schwert

«Es gibt noch viel zu tun», erklärt Anna Barbara Müller, die Kuratorin des Domschatzmuseums. Um den Staub der Bauarbeiten draussen zu halten, lotst sie die Medien an diesem Morgen durch den Seiteneingang. Im Eingangsbereich steht die Kasse bereit, nur vom geplanten Museumsshop ist noch nichts zu sehen. Hier sollen demnächst bischöfliche Weine, Postkarten, Bücher und Rosenkränze feilgeboten werden.

Gegenüber der Kasse erhalten die Besucher einen ersten Eindruck vermittelt, was sie erwartet. In einer Vitrine lässt sich eine Mitra, seidene Pontifikalschuhe und ein bischöfliches Zeremonialschwert aus der Zeit um 1500 entdecken. Die Kombination der Exponate soll verdeutlichen, dass der Bischof bis ins Mittelalter auch viel weltliche Macht ausübte.

Die drei Objekte sind Teil des über 200 Stücke zählenden Churer Domschatzes. 70 davon – die Prunkstücke, wie Müller betont – haben nun Eingang in die Ausstellung gefunden. Bis 2002 war die Sammlung in der unteren Sakristei der Kathedrale zu besichtigen. Danach gelangte der Domschatz in den Kulturgüterschutzraum des Rätischen Museums in Haldenstein, wo er für die Öffentlichkeit unzugänglich blieb.

In Ulmenholz eingebettet

Eine automatische Türe trennt den Eingangsbereich vom Ausstellungsraum im Erdgeschoss. Sofort umhüllt einen auf 19 Grad heruntergekühlte Luft: perfekte klimatische Bedingungen für die Exponate. Der von Gion Signorell und Marcel Liesch gestaltete Raum offenbart den hohen ästhetischen Sachverstand der beiden Churer Architekten. Einen edlen Eindruck vermittelt das Ulmenholz, aus dem Wände, Decken und Ausstellungssockel gefertigt sind.

Die Vielfalt der Objekte mache es möglich, die Ausstellung in verschiedene Themenbereiche zu gliedern, verrät Kuratorin Müller. «Ähnlich wie beim Durchschreiten einer Kathedrale von West nach Ost erleben die Besucher eine inhaltliche Steigerung.» Höhepunkt der Ausstellung sei der Reliquienschatz der Kathedrale. Das Spektrum der Exponate reicht von der gotischen Turm-Monstranz über ein mächtiges Triumphkreuz aus dem 13. Jahrhundert, Messkelche, Kruzifixe und liturgische Gewänder bis zu Reliquiaren aus Gold, Silber und Edelsteinen. Schätze von unvorstellbarer Schönheit und handwerklicher Brillanz.

Als Höhepunkt sieht Müller einen Marmorsarkophag, der aus dem Hochaltar der Kathedrale entnommen wurde. Darin fand sich ein um das Jahr 400 hergestelltes Arzneikästchen aus Elfenbein, das Äskulap zeigt, den griechischen und römischen Gott der Heilkunst. Das Objekt könnte ursprünglich als Pillenkästchen gedient haben und wurde dann zur Aufbewahrung einer Reliquie umfunktioniert.

Vom Domschatz zum Totentanz im Kunstmuseum 
Das Bistum Chur lädt zu zwei Tagen der offenen Tür: Am Samstag, 29. August, von 10 bis 17 Uhr, und 
am Sonntag, 30. August, von 11 bis 17 Uhr kann das neue Domschatzmuseum kostenlos besucht werden. 
Fachleute des Archäologischen Dienstes Graubünden sowie von der Denkmalpflege Graubünden geben Auskunft zu Funden und Befunden im Zusammenhang mit dem Museum.
Gleichzeitig eröffnet eine Sonderausstellung im Bündner Kunstmuseum in Chur: die von den Churer Todesbildern inspirierte Schau «Dance Me To The End Of Love. Ein Totentanz». Auch diese Ausstellung wird am Samstag, 29. August, im Rahmen eines Tages der offenen Tür kostenlos zu besichtigen sein. Die Schau spannt einen Bogen von der Antike bis in die Gegenwart und stellt Werke der bildenden Kunst kulturhistorischen Objekten gegenüber. Die von Stephan Kunz und Stefan Zweifel kuratierte Ausstellung geht vom Moment der Bewegung aus und zeigt mit Werken von Jackson Pollock, Willem de Kooning, Jean Tinguely, Rebecca Horn und Daniel Schmid, wie in der Bewegung die gesicherten Grundlagen unseres Lebens aufgelöst werden. (red) 

Der Tod holt jeden

Weiter führt der Rundgang ins Untergeschoss des Museums. Im ehemaligen bischöflichen Weinkeller sind in einem Schutzraum die legendären Churer Todesbilder aus dem Jahr 1543 ausgestellt. Sie sind nun erstmals seit 1976 wieder öffentlich zu sehen. Die 25 bemalten Bildfelder einer Fachwerkwand zeigen Begegnungen von Menschen aus allen Ständen mit dem als Skelett dargestellten Tod.

Die Todesbilder sind als Grisaillen ausgeführt, das heisst, der unbekannte Maler verwendete vor allem graue, schwarze und weisse Töne. Dies und die spiegelnden Oberflächen stellen Müller vor ein Problem: Wie soll das riesige Memento mori am besten beleuchtet werden? Vorerst hat sich die Kuratorin für eine abgedunkelte Variante entschieden. Zusammen mit einem professionellen Beleuchter will Müller auch diese «Baustelle» demnächst in Angriff nehmen.

Valerio Gerstlauer ist Leiter des Ressorts Entertainment & Kultur. Er arbeitet als Kulturredaktor vornehmlich für die Zeitung «Südostschweiz» und die Website «suedostschweiz.ch». Ausserdem ist er einmal in der Woche in der Sendung «Kulturtipp» auf Radio Südostschweiz zu hören. Mehr Infos

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