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Die Borkenkäfer lieben die warmen und trockenen Sommer im Glarnerland

Hitze und Trockenheit machen den Schweizer Wäldern zu schaffen. Auch für den Glarner Kantonsoberförster gehört der Klimawandel zu den grössten Sorgen.

Daniel
Fischli
20.08.23 - 04:30 Uhr
Klima & Natur
Klein, aber gefrässig: Die Fichten im Glarner Wald leiden unter den Borkenkäfern.
Klein, aber gefrässig: Die Fichten im Glarner Wald leiden unter den Borkenkäfern.
Bild Beat Wermelinger, WSL

Jedes Jahr veröffentlicht die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL einen umfangreichen «Waldschutzüberblick». Darin fasst die WSL die Rückmeldungen der kantonalen Forstdienste und eigene Beobachtungen und Studien zu einem Bild des Gesundheitszustandes der Schweizer Wälder zusammen. Im Jahr 2022 sei die Witterung eine grosse Herausforderung gewesen, schreibt die WSL. «Im warmen Frühling vertrockneten viele junge Douglasien. Sie begannen früh im Jahr mit der Fotosynthese, während sie aus dem noch gefrorenen Boden zu wenig Wasser ziehen konnten.» Und im Sommer hätten die Hitze und die Trockenheit das Wachstum aller Arten um bis zu 50 Prozent reduziert. Das wärmere Klima habe ausserdem auch indirekte negative Folgen, so die WSL weiter: «Ein wärmeres Klima fördert Pilze und andere Organismen, die aus südlicheren Gebieten stammen.» Heimische Pflanzen verfügten aber über keine oder nur begrenzte Abwehrmechanismen gegenüber den eingeschleppten Arten.

Der Glarner Kantonsoberförster Maurus Frei sagt zwar: «Im Grossen und Ganzen geht es dem Glarner Wald gut.» Aber durch und durch gesund sei er nicht. «Mir machen die Themen Klimawandel und Stickstoffdüngung die grössten Sorgen», so Frei.

Stickstoff lässt Bäume weniger wachsen

Die Düngung des Waldes mit Stickstoff geschieht nicht absichtlich. Pro Hektare und Jahr gelangen laut Maurus Frei über die Luft zwischen 10 und 40 Kilogramm Stickstoff aus Industrie, Verkehr und Landwirtschaft in den Wald. «Die übermässige Düngung lässt die Bäume aber nicht besser wachsen. Im Gegenteil, der Stickstoff macht den Waldboden saurer und die Wachstumsverhältnisse verschlechtern sich», so Frei. Bei der Buche sei nachgewiesen worden, dass die Düngung die Auswirkungen von Trockenphasen noch verstärke. Am stärksten von der Stickstoffdüngung betroffen sei der Wald in den Tallagen.

Seit dem Hitzesommer 2018, als in Glarus Nord die Buchen bereits im August braune Blätter gezeigt hätten, seien immer wieder längere Trockenphasen aufgetreten, so Frei. Die Wasserreserven im Wald seien gesunken und der Spielraum für das Überstehen weiterer Trockenphasen sei dadurch kleiner geworden. «Aktuell kann man in tiefen Lagen da und dort gelbliche Baumkronen beobachten. Das sind Buchen, die unter Wassermangel leiden.» Im Extremfall könnten sie absterben, so Frei. «Bei uns ist vor allem die Buche gefährdet.»

«Aktuell kann man in tiefen Lagen da und dort gelbliche Baumkronen beobachten. Das sind Buchen, die unter Wassermangel leiden.»

Maurus Frei, Kantonsoberförster

Borkenkäfer profitieren von der Trockenheit

Auch den Fichten, die häufigste und wirtschaftlich wichtigste Baumart im Kanton Glarus, machen laut dem Kantonsoberförster die Trockenphasen zu schaffen. Die Fichtenborkenkäfer würden von den höheren Temperaturen und den geschwächten Fichten profitieren. «Seit dem Sturm ‹Burglind› im 2018 und dem Hitzesommer 2018 treten sie in anhaltend grosser Zahl auf», so Maurus Frei. Bisher seien Massenvermehrungen der Fichtenborkenkäfer jeweils nach drei bis vier Jahren wieder vorbei gewesen. Während die Forstdienste gegen die Stickstoffdüngung und den Klimawandel nicht direkt ankämpfen können, kann gegen den Befall durch die Borkenkäfer etwas unternommen werden: «Die befallenen Fichten werden aus dem Wald entfernt oder im Wald entrindet», so Frei. Damit könne die Ausbreitung der Fichtenborkenkäfer verlangsamt werden.

Altbekannt ist die Gefahr, die den Weisstannen, eine ökologisch wertvolle und eine wichtige Baumart im Schutzwald, droht: «Die Weisstanne leidet unter dem Verbiss durch die Wildhuftiere Gams, Reh und Hirsch», sagt Frei. Sie würden die Knospen der jungen Weisstannen fressen und dadurch würden diese nicht zu grossen Bäumen heranwachsen, sondern sozusagen am Boden bleiben. «Dem Glarner Wald fehlt es dadurch an Weisstannen-Nachwuchs.» In geringerem Ausmass geschehe dies auch bei den Ahorn- und Eichenarten und der Vogelbeere.

Während gegen den Wildverbiss die Jagd sowie Wölfe und Luchse helfen, ist laut Maurus Frei gegen einen Pilz, der die Eschen befällt, «noch kein Kraut gewachsen». Im ganzen Kanton gebe es so viele tote Eschen wie noch nie, die Art falle grossflächig aus. «Die Hoffnung liegt auf resistenten Eschen, die aufgrund ihrer Genetik den Pilz aushalten, ohne abzusterben.»

Den Wald dem Klimawandel anpassen

Um den Wald an das wärmere und trockenere Klima anzupassen, werden laut dem Kantonsoberförster trockenheitsresistente Baumarten gefördert. Für den Kanton Glarus seien das bei den Laubbäumen etwa die einheimischen Arten Aspe, Edelkastanie, Esche, Feldahorn, Flaumeiche, Hagebuche, Hängebirke, Mehlbeere, Nussbaum, Sommer- und Winterlinde, Spitzahorn, Stieleiche, Traubeneiche oder bestimmte Weidenarten. Bei den Nadelbäumen sind es Eibe, Lärche, Waldföhre und Weisstanne.

Die Vielfalt an Baumarten mache den Wald resistenter gegenüber den Herausforderungen, sagt Frei. Der Glarner Wald sei ein weitgehend naturnah aufgebautes Ökosystem, die Artenvielfalt sei gross und werde weiter gefördert. Die beste Lösung für die Probleme sei neben der Jagd eine naturnahe Waldbewirtschaftung, so der Kantonsoberförster. Das heisst neben der Förderung von einheimischen Baumarten etwa die Förderung von Kleinstrukturen wie Ameisenhaufen, Steinblöcken, Asthaufen oder Gewässern.

Daniel Fischli arbeitet als Redaktor bei den «Glarner Nachrichten». Er hat Philosophie und deutsche Sprache und Literatur studiert. Mehr Infos

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