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Wenn Mad Max auf Generationenforschung trifft

Unser Autor malt ein dystopisches Bild der näheren Zukunft – und verwischt es dann wieder.

26.04.23 - 16:34 Uhr
Bild Freepik

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Der gesellschaftliche Generationenkonflikt steht an einem vorentscheidenden Scheideweg. Wenn wir den rasch gegoogelten Generationenklischees glauben, geht’s mit uns bald steiler bergab als mit Elon Musks Popularität bei Twitter-Usern.

Nachdem die Babyboomer-Generation (Jahrgänge 1946-1964) bis Anfang des 21. Jahrhunderts jahrelang den grössten Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung in der Schweiz ausgemacht hatte, verlor sie in den letzten Jahren ihre Vormachtstellung an die Generation X (1965-1980) und dann an die Millennials (1981-1996). Nun wird sie im Verlauf dieses Jahres auch von der Generation Z (1997-2012) überholt. Das zeigen aktuelle Zahlen des Bundesamtes für Statistik BFS. Generation X und Millennials machen im Moment bei der erwerbstätigen Bevölkerung jeweils rund 36 Prozent aus. Die Anteile von Babyboomer und Generation Z liegen je bei ungefähr 14 Prozent. (Ich habe hier grosszügig gerundet. Die genauen Zahlen gibt’s beim BFS)

Wenn wir die klischierten Wertezuordnungen der diversen Generationen plakativ und verallgemeinert ausformulieren, sehen die in etwa so aus:

Babyboomer: Leistungsorientierte Arbeitstiere, denen die Karriere über alles geht. Kaum technikaffin. «Klimawandel? Das sind doch diese Jugendlichen, die sich irgendwo ankleben oder Kunstwerke beschmieren.»

Generation X: Leistung ist wichtig, aber bitte nicht auf Kosten eines Burnouts. Technikaffiner als die Boomer. «Momol, Umweltschutz ist schon auch ein Thema – schliesslich haben wir die Tschernobyl-Katastrophe und das Ozonloch live miterlebt.»

Millennials: Als Digital Natives setzen sie Technik ein, um die Work-Life-Balance aufrechtzuerhalten und natürlich, um in sozialen Netzwerken darüber zu berichten – wobei sie sich permanent selbst hinterfragen. «Mein Bewusstsein für Ausgeglichenheit zeige ich euch mit einem Bild der Quiona-Bowl, die es zum Zmittag gab. Oder lieber doch nicht?»

Generation Z: Mehr Freizeit. Sinnvolle Arbeit. Hoher Lohn. Bewusstsein für alle und alles. «Unsere ignoranten Vorgängergenerationen haben die Welt kaputt gemacht.»

In absehbarer Zeit werden uns also die Klischee-Ackergäule (Boomer) in den Ruhestand verlassen, bevor ihnen die durchaus noch Leistungsorientierten X-People folgen. Ersetzt werden sie durch eine Generation unsicherer Foodporn-Influencer und eine Generation harmoniebedürftiger Weltverbesserer. Das kann ja schön werden. In meiner Phantasie nimmt der Generationenkonflikt absurde Formen an: Während Horden von Rollator-Easyridern gegen die Verweichlichung der Gesellschaft auf die Strasse rollen wollen, werden sie dort von ökologisch abbaubaren Sekundenkleber-Barrikaden aufgehalten, während sich an den von veganen Foodtrucks gesäumten Strassenrändern Mitt-Vierziger-Smombies (Smartphone-Zombies) die Füsse platt stehen, um den perfekte Lichteinfall für das Food-Selfie nicht zu verpassen. Kopfschüttelnd fragt sich eine weitere Generation in sicherer Distanz, ob sie tatsächlich jahrzehntelang KMU gegründet hat, nur damit diese in der Brache der Industriezonen unserer Städte vor sich hin verkümmern, während sich Ewiggestrige, Woke und Entscheidungsphobiker gegenseitig die Schuld für alles Schlechte dieser Welt in die Schuhe schieben. Ein Szenario, das sich vor meinem geistigen Auge in einer dystopischen Welt abspielt. Wie in «Mad Max» halt.

Jetzt meine steile These. Die ganzen Un- und Missverständnisse zwischen den Generationen sind gar nicht den Generationen zuzuschreiben, sondern deren jeweiligem Alter. Dass Menschen mit fortlaufendem Alter die nachfolgende(n) Generation(en) immer weniger verstehen, war schon immer so. Ich bemühe da gerne nochmals Sokrates, der vor etwa 2500 Jahren schon meinte, die Jugend sei verkommen, kenne keinen Anstand und habe keinen Respekt vor dem Alter. Zeitlich nicht ganz so weit zurückspielen sich meine Erinnerungen ab. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als Jugendlicher der festen Überzeugung gewesen zu sein, dass «die Alten» vom (damals) modernen Leben keine Ahnung haben und endlich aufhören sollten, uns (also den damaligen Jugendlichen) eben dieses erklären zu wollen.

Es ist aber halt verführerisch einfach, Menschen in Schubladen zu packen und sie entsprechend kategorisieren zu können. Generationenforschung kann man das dann auch nennen. Die hat aber auch ihre Kritiker: Ein Professor für Arbeitspsychologie sagte gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk bereits 2018 zum Thema: «Es gibt eine grosse Generationen-Industrie: Mit dem Thema Generationen und Generationenunterschiede lassen sich sehr gut Bücher und Workshops verkaufen und auch ganze Beratungsunternehmen führen.» Ausserdem lassen sich solche Kategorisierungen herrlich hinzuziehen, wenn man sich in einem Blog aus Zahlen des BFS ein abstruses, postapokalyptisches Generationenkriegsszenario ausmalen will.

Lassen wir vorerst mal die Kampfrollatoren in der Garage, die altersideologischen Hellebarden im Waffenschrank und bleiben wir schön anständig miteinander. Egal in welchem Alter.

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