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Kein Gehör für «Sandra B.s» Antrag

In der reformierten Kirchgemeinde Grosstal gilt eine neue Läuteordnung. Mindestens einer Person passt das nicht.

Marco
Häusler
26.06.21 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Keine Chance: Wie Kirchenratspräsident Daniel Sprüngli schildert, wurde «Sandra B.s» Antrag einstimmig abgelehnt.
Keine Chance: Wie Kirchenratspräsident Daniel Sprüngli schildert, wurde «Sandra B.s» Antrag einstimmig abgelehnt.
SASI SUBRAMANIAM

Der «Blick» hat die 63-jährige Frau auf den frei erfundenen Namen «Sandra B.» getauft. Den Sprung in die Schlagzeilen der nationalen Boulevardpresse schaffte sie Mitte April, weil sie Lärm macht. Über eine Musikbox, die auf dem Fenstersims im obersten Stock ihres Hauses steht. Und aus der immer dann lautes Rauschen, dröhnte, wenn in Luchsingen die Glocken der etwa 120 Meter weit entfernten reformierten Kirche geläutet wurden.

Denn das stört «Sandra B.» ganz gewaltig, wie sie gegenüber den «Glarner Nachrichten» schon Mitte September 2020 ausführte. Kurz davor hatte sie mit Inseraten in der Wochen­zeitung «Fridolin» die «massive Ruhestörung um 5 Uhr» und das «Bimmeli, Bammeli, Bummeli bei jeder unberechtigten Gelegenheit» angeprangert und zur Gründung einer «Interessen­gemeinschaft Anti-Gebimmel» aufgerufen.

Auskunft dazu gab sie den «Glarner Nachrichten» ebenso wie in einem Interview im Regionalfernsehen TV Südostschweiz anfänglich noch unter ihrem richtigen Namen. Weil sie später nach eigenen Angaben sogar Morddrohungen erhalten hat, pocht sie nun darauf, anonym zu bleiben.

«Last-Minute»-Antrag

Trotzdem fiel «Sandra B.s» richtiger Name am Donnerstagabend in der Kirche Betschwanden erneut in der Öffentlichkeit. Dort fand die Versammlung der reformierten Kirchgemeinde Grosstal statt, und an dieser wurde ein Antrag behandelt, den sie gestellt hatte.

«Wir werden damit kurzfristig noch an die Kirchgemeindeversammlung gelangen», hatte Kirchenratspräsident Daniel Sprüngli gegenüber den «Glarner Nachrichten» Mitte April erklärt, «obwohl er uns an der letzten Sitzung noch nicht vorlag, als wir die Unterlagen zur Versammlung verabschiedeten.»

«Ihr Antrag wurde abgelehnt», erklärte Sprüngli am Freitag nun auf Anfrage. Behandelt wurde «Sandra B.s» Anliegen als zweitletztes Traktandum. Verlangt hatte sie, dass die «polizeilich verordnete Nachtruhe von 22 bis 7 Uhr» eingehalten und «vor allem auf das Viertelstundengedröhne Tag und Nacht» verzichtet werde.

Es wird nicht. «Der Antrag wurde einstimmig abgelehnt», sagt Sprüngli. «Es gab keine Gegenstimmen und keine Enthaltungen. Alle stimmten geschlossen dagegen.» Und gekommen waren viele. Von den zurzeit 979 Stimmberechtigten der Kirchgemeinde Grosstal erschienen aus den acht Dörfern laut Sprüngli 63 und damit rund 6,4 Prozent zur Versammlung. «Das sind etwa doppelt so viele wie üblich», sagt er.

Läuteordnung beschlossen

«Sandra B.» kam nicht. «Sie war aber auch nicht eingeladen», sagt Sprüngli. Sie sei ja kein Mitglied der reformierten Kirchgemeinde Grosstal. Schon mit ihrem Antrag musste sie darum an den Kirchenrat gelangen, der darauf beschloss, ihn der Versammlung zu unterbreiten. Als Gast hätte «Sandra B.» aber teilnehmen können. «Die Kirchgemeindeversammlungen sind öffentlich», sagt Sprüngli, «wir haben ja nichts zu verstecken.» So seien auch am Donnerstag zwei Gäste erschienen. «Aber nicht wegen diesem Traktandum.»

Um Kirchenglocken ging es auch beim letzten Geschäft der Liste. Mit dem Festlegen einer Läuteordnung wird für alle fünf Kirchen der Gemeinde im Detail geregelt, wie die jeweiligen Glocken zu welchen Zeiten wie lange geläutet werden. «Es ging einfach darum, ein Papier zu haben, auf dem alles geregelt ist», fasst Sprüngli zusammen. «Denn bisher hatten wir das nicht.» In der Praxis ändere sich an der bisherigen allerdings kaum etwas.

Auch das segneten die Stimmberechtigten wie vom Kirchenrat beantragt ab – ebenso alle anderen Geschäfte wie Jahresbericht und -rechnung 2020 oder Budget und Steuerfuss 2022. «Ohne eine einzige Wortmeldung», wie Sprüngli erzählt. Die Versammlung sei nach 42 Minuten vorbei gewesen.

Noch nicht vorbei sein dürfte es jedoch mit «Sandra B.s» Protestaktionen, wie Sprüngli vermutet. Was «Sandra B.» auf Anfrage prompt bestätigt: «Das Rauschen geht weiter.»

Marco Häusler ist Dienstchef der Zeitungsredaktion «Glarner Nachrichten». Er absolvierte den zweijährigen Lehrgang an der St. Galler Schule für Journalismus und arbeitete bei der ehemaligen Schweizerischen Teletext AG und beim «Zürcher Unterländer», bevor er im Februar 2011 zu Somedia stiess. Mehr Infos

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SO schreibt:
Von den zurzeit 979 Stimmberechtigten der Kirchgemeinde Grosstal erschienen aus den acht Dörfern laut Sprüngli 63 Stimmberechtigte zur Versammlung. «Das sind etwa doppelt so viele wie üblich», sagt er.
«Der Antrag wurde einstimmig abgelehnt», sagt Sprüngli. «Es gab keine Gegenstimmen und keine Enthaltungen. Alle stimmten geschlossen dagegen.»
Die Antragstellerin verlangte, dass die «polizeilich verordnete Nachtruhe von 22 bis 7 Uhr» eingehalten und «vor allem auf das Viertelstundengedröhne Tag und Nacht» verzichtet werde.
Ich schreibe:
Verhält sich diese Kirche "christlich"?
Sind in der Schweiz nicht "alle gleich" vor dem "(Nachtruhe-) Gesetz"?
Wenn diese Kirche "einstimmig" für das Läuten (auch nachts und zur SonntagsRUHEzeit, die gesetzlich ganztags geschützt ist) einsteht, bedeutet das, dass sie auch für den Kaufpreis des Hauses haftet, das Lärmopfer verkaufen müssten bzw. bedeutet das, dass der Kaufpreis für Häuser in der Schallzone der Kirchenglocken, sogar höher ist als in Nicht-Kirchenglockenzonen, weil nämlich "alle" bzw. "einstimmig" die Glocken-Schläge (von Insidern auch -Prügel genannt) so willkommen, bereichernd (modern: geil) finden?
Wenn das Bundesamt samt WHO feststellt, dass: "Lärm krank macht, Gewöhnung nicht möglich" ist, bedeuten die Kirchenglocken dann eine obsolete Machtdemonstration wie der Ablasshandel und die Kreuzzüge und der sexuelle Missbrauch?
Betreffend Argument bzw. Vorwand "Tradition": Auch Hexenverbrennung, Teeren-Federn und Vierteilen war mal Tradition ebenso wie die unselige Verfeuerung von Kohle und Erdöl: Bedeutet das jedoch, dass es objektiv, naturgesetzlich, gesundheitlich richtig und zukunftsträchtig ist?
PS: Heutzutage hat jeder Mensch mindestens EINE eigene Uhr. Die Kirche muss mir ergo die Uhrzeit nicht ständig um die Ohren hauen.
Mein Vorschlag an die Kirche seit Jahren: Setzt eure Arbeitskraft/Geld nicht für den Glockenlärmbetrieb ein, sondern für das Verbot der Zinseszins-Wirtschaft, die war nämlich bis ins Mittelalter von der Kirche verboten (!) und ruiniert durch ihr Exponentialdogma den Planeten.
1)
Kirchenglocken (und Tierglocken) in der Schweiz:
http://www.nachtruhe.info/klagebeispiele.xhtml
http://www.nachtruhe.info/was-tun-gegen-kuhglocken-laerm.xhtml
2)
Zitate aus http://www.nachtruhe.info :
"Von Seiten des Bistums besteht keine Verpflichtung, die Kirchenglocken morgens zu läuten.
Noch weniger besteht eine Vorschrift bezüglich des Zeitpunktes des Glockengeläutes..."
Ivo Fürer, Altbischof Bistum St. Gallen
…………
Das Wort "Glocke" kommt in der Bibel nicht vor!
"Läute dem Herrn und warte auf ihn" suchen wir darin vergebens.
Wir finden aber:
"Sei stille dem Herrn und warte auf ihn."
………….
Laut dem Bundesverwaltungsgericht ist das Glockengeläut als Zeitansage "keine kirchliche Äußerung", sondern "eine Tradition, die ihre Bedeutung angesichts gewandelter Lebensbedingungen weitgehend verloren hat..."
Bundesverwaltungsgericht Deutschland
………….
"Ueberhaupt wird man finden, jemehr ein Volk Vergnügen an Schellen oder auch Glöckchen findet, die ohne Ordnung durcheinander klingen, desto roher, kindischer oder barbarischer ist es."
Georg Christoph Lichtenberg
…………..
"Die Tiefe des Schlafes, von der die Erholung des Organismus abhängt, wird durch den Lärm verringert, auch wenn man nicht aufwacht." (!)
Laermliga.ch
………….
"Dem Schutz der Nachtruhe kommt eine so hohe Bedeutung zu, dass eine erhebliche Störung schon dann vorliegt, wenn sie nur wenige Menschen betrifft."
Verwaltungsgericht Zürich
………..
"Ich würde die lasche, viel zu tolerante Haltung gegenüber dem nächtlichen Kirchenglockengebimmel in meiner Nachbarschaft ändern."
Kuno Lauener (Schweizer Sänger von 'Züri West')
………..
"Die Schlafzyklen richten sich nicht nach der Uhrzeit, sondern nach der Einschlafzeit und dem inneren Rhythmus.
Somit werden im Laufe einer Nacht sicher alle Schlafstadien in ähnlichem Ausmass durch das Glockengeläut gestört."
Dr. med. Wolfgang Randelshofer
…………..
"Lärm bedeutete bei unseren Vorfahren "Gefahr!" und ist daher in unseren Genen als ALARM gespeichert.
Deshalb ist aus medizinischer Sicht eine Gewöhnung an Lärm nicht möglich."
Dr. Hans Göschke, Aerzte für Umweltschutz, Oberwil
……………
Die Lärmbekämpfung der Stadtpolizei Zürich hat kürzlich der evangelischen Kirchgemeinde Zürich-Altstetten empfohlen, die Viertel- und Stundenschläge während der ganzen gesetzlichen Nachtruhe von 22 bis 07 Uhr auszuschalten.
Lärmbekämpfung Stadtpolizei Zürich
……..…….
"Bei der Landwirtschaft gelten andere Gesetze.
So schützt auch die neue, bürokratisch-detaillierte Tierschutzverordnung auf 153 Seiten Wellensittiche und misst den Auslauf für Elche, aber den Nerven von Kühen mutet die Verordnung den lauten Glockenlärm direkt unter den schönen, weiss umflorten Ohren zu.
Feige wich das Bundesamt dem hergebrachten Brauchtum."
Beat Kappeler (Journalist und Autor)
……………
"Der Lärm schützt uns vor peinlichem Nachdenken,
er zerstreut ängstliche Träume,
er versichert uns, dass wir ja alle zusammen seien und ein solches Getöse veranlassen, dass niemand es wagt, uns anzugreifen..."
Carl Gustav Jung

Kein Gehör für Sandra B.s Antrag! Also gerade Stolz können meines Erachtens die 63!! von über 900 Kirchgemeinde Mitglieder aus dem Grosstal über das Ergebnis dieser Abstimmung sicher nicht sein. Ich finde, dass gerade die Kirchen sich auch etwas mehr an die Heutige Zeit anpassen sollten. Lärmbelästigungen haben wir heute ja wirklich Genug, also hätte Meines Erachtens in diesem Fall, die Kirchen Verantwortlichen dieser Frau sicher etwas entgegen kommen dürfen. Ich Wohne neben einer Katholischen Kirche und muss auch jeden Morgen um 06.00 Uhr, und während des ganzen Tages immer wieder dieses "Gebimmel" anhören. Ich stehe dazu, ich würde, als Pensionierter diesen Wecker auch nicht brauchen. Aber anscheinend haben die Kirchen immer noch Genug Mitglieder.

Die Abstimmung im Bimmelverein ist unsinnig. Es wurden keine Leute die aus dem Bimmelverein ausgetreten, Ausländer/innen, Asylbewerber/innen, andere Glaubensrichtungen , gefragt ob sie die Lärmbelästigung und nicht ans Gesetz halten der Nachtruhe akzeptieren. Das heisst doch, dass Luchsingen ein gesetzesfreier Raum ist und 24 Stunden Lärm geduldet werden muss. Partyvolk jetzt wisst ihr: Im Glarnerland kann die Sau rausgelassen werden Tag und Nacht. Auch ich werde das bimmeln und dröhnen auf meinem Grundstück mit geeigneten Massnahmen erwiedern. Demokratie heisst nicht der Stärkere gewinne sonder auch andere Meiungen zulassen. Aber der Machtanspruch des Bimmelvereins ist särker. Lächerliche 63 von 979 Personen aus acht Dörfern haben ihre Stimme abgegeben. Es ist wie im Turnverein oder Chüngeliverein ---- nur für Mitglieder.
Sandra B.

Sehr geehrte Frau Christen, Sie kommen mir vor wie jemand, der ein Haus neben der Autobahn kauft und sich danach überr den Verkehrslärm beklagt, oder jemand der in Flugschneise eine Immobilie erwerbt und danach den Fluglärm beklagt. Legen wir noch einen drauf. Sie gehören zu der Art von Mensch der aufs Land zieht und sich wegen der Kuhglocken beklagt..... alles schon gesehen und gehört. Wieso meinen Sie war wohl die Immobilie verhältnismässig günstig? Aus Goodwill? Nicht ihr ernst! In diesem konkreten Fall war die Kirche schon länger da und die gute Frau hätte das mit ein ganz klein wenig Abklärung wissen können... so viel Interesse kann man wohl erwarten, wenn jemand einen Hauskauf in Erwägung zieht.

Sehr geehrter Herr Nik Zyndel, Ihren Kommentar finde ich etwa so scheinschlau wie die Glocken, weil, was soll denn das?

Dass sich nur noch Multimillionäre Wohnen-Stille kaufen können sollen, und alle anderen, insbesondere Chronischkranke, in der unnötigen Beschallerei (inklusive die mutwillig laut-frisierten Motorräder/Autos) salamitaktisch zugrundegehen müssen?

Der Lärm inklusive Kirchen- und Tier-Glocken ist 1.) praktisch ubiquitär (wie der Beobachter 9.10.2000 berichtete), das heisst, man kann ihm auch mit Umzugsbemühungen nach besten eigenen Kräften kaum entkommen, und 2.) wird das eine Übel nicht dadurch gescheiter, dass es noch andere Lärmquellen gibt.

Einzige Lösung:  Wahlfreiheit:

https://wohnengesundheit.webnode.com/

 

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