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Der singende Lokführer beeindruckt die Deutschen

Hanspeter Zweifel hat bei der RTL-Musikshow «I can see your voice» mitgemacht. Obwohl der Linthaler nicht ins Finale kam, lief die Show in Deutschland für ihn optimal.

Paul
Hösli
05.05.21 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Sticht nicht nur mit dem Outfit heraus: Hanspeter Zweifel rockt bei «I can see your voice» die Bühne.
Sticht nicht nur mit dem Outfit heraus: Hanspeter Zweifel rockt bei «I can see your voice» die Bühne.
TV NOW / FRANK W. HEMPEL

Am 17. Dezember 2020 fand Hanspeter Zweifel im Posteingang seines Messengers auf Facebook eine Nachricht von Tresor TV mit dem Vermerk: «Wir wollen dich kennenlernen.» Der Linthaler dachte sich nicht viel dabei, «ich ging davon aus, dass es eine dubiose oder schlüpfrige Anfrage ist und ignorierte diese», so Zweifel. Das «Gwünder» liess ihn aber nicht los, und so rief er einige Tage später die dort angegebene Nummer trotzdem an. Am anderen Ende meldete sich eine Frau namens Melissa. Zweifel fühlte sich in seiner Befürchtung einer schlüpfrigen Anfrage bestätigt und antwortet mit sarkastischem Unterton: «Und wer ist denn die Melissa?» Nach einer kurzen Pause antwortete die Frau: «Ich bin von der Musikredaktion bei RTL.»

Bei Hanspeter Zweifel machte es sofort klick. «Ich musste mein Programm neu starten», erzählt der 63-Jährige und lacht. Was zuerst als dubiose Anfrage erschien, entpuppte sich als grosse Möglichkeit für Zweifel. Er wurde zur Musikshow «I can see your voice» des deutschen TV-Senders RTL eingeladen. Zweifel war völlig perplex. «Das muss man sich vorstellen, das grosse RTL will jemanden aus dem kleinen Linthal. Unglaublich», sagt der hauptberufliche Lokomotivführer.

Ein weisses Tuch hilft

Nach einigen Musikproben über Videotelefonie reiste Zweifel am 18. Februar schliesslich nach Köln, wo in den riesigen MMC Studios die Show aufgenommen wird. «Obwohl ich noch nie da war, fühlte es sich so an, als ob ich nach Hause kommen würde», erzählt der Musiker. Wobei, beinahe hätte er den Haupteingang zu seinem «Zuhause» nicht gefunden. «Das Areal ist riesig. Nachdem ich 20 Minuten herumgefahren bin, griff ich zum Telefon und rief bei den Studios an. Ich bat die Person, mit einem weissen Tuch auf den Parkplatz zu kommen, damit ich den Eingang endlich finde», sagt Zweifel und blickt amüsiert zurück. Die Frau habe dies sogleich ausgeführt.

«Ich wurde umsorgt wie ein König. Die Frisur wurde gemacht, die Kleidung kontrolliert und ich immer wieder gefragt, ob ich Hunger oder Durst habe. Wenn wir lange stehen mussten, haben sich die Leute um unsere Gesundheit gesorgt. Alle waren knuddellieb, und es war einfach nur der Hit», erzählt Zweifel begeistert von den beiden Produktionstagen für die Musikshow. Auch wenn dabei nicht immer alles glatt lief, wie er weiter ausführt: «Einmal bin ich nach einem Fehltritt von der Bühne gepurzelt, passiert ist zum Glück nichts.»

Frühes Ausscheiden ist gut

In der Show, die am Dienstag auf RTL zu sehen war, schaffte es Zweifel nicht bis ins Finale. Er schied nach der vierten Runde aus. Und so paradox es klingen mag, das war gut. Denn «I can see your voice» ist keine Castingshow wie «Deutschland sucht den Superstar» oder eine Talentshow wie «The Voice», bei der am Ende ein Preisgeld oder ein Plattenvertrag winkt. «I can see your voice» ist eine Unterhaltungsshow mit Musik. «Es ist kein Wettkampf und es kommt nicht der beste ins Finale», so Zweifel.

In der Show geht es darum zu erkennen, ob jemand singen kann oder nur schwindelt. Die Beurteilung erfolgt aufgrund des optischen Eindrucks oder etwa einer Fragerunde. So kann es sein, dass man weniger singt, je weiter man in der Show kommt.

«Ich konnte meine Gesangskünste präsentieren. Daher bin ich froh, dass ich früher ausgeschieden bin. Für mich lief es optimal», ist sich Zweifel sicher. Er sang etwa das Lied «Mandy» von Barry Manilow. Das kuriose daran: Das Jurymitglied, welches über Sein oder Nichtsein entscheidet, habe laut Zweifel den gleichen Namen. «Als ich das Lied sang, ist sie beinahe vom Stuhl gekippt.» Mandy habe ihm später noch privat geschrieben und sich bedankt.

Nummerntausch mit Mutzke

Das Jurymitglied ist jeweils ein Fan eines deutschen Musikers, der ebenfalls in der Jury sitzt. In Zweifels Fall war es Max Mutzke. Der Sieger darf dann jeweils mit dem Star zusammen am Ende der Musikshow ein Duett singen. Egal, ob er oder sie nun singen kann oder nicht. «Als Mutzke meine Stimme hörte, schlug er die Arme über dem Kopf zusammen und sagte: Mit dir hätte ich so gerne ein Duett gesungen», erzählt Hanspeter Zweifel nicht ohne Stolz. Die beiden hätten schliesslich danach noch die Telefonnummern ausgetauscht.

«Die Teilnahme an der Musikshow war für mich ein voller Erfolg», so Zweifel. Er habe vor einem Millionenpublikum gesungen, befinde sich nun in Deutschland auf dem Radar von Musikproduzenten, habe tolle Leute kennengelernt und viel Spass gehabt. «Das unterscheidet sich von ‘The Voice’, wo ich vor einem Jahr teilnahm. Dort ist der Druck riesig, in dieser Show ist es einfach nur lustig und locker.» Sie hätten einen alten Mann nach Köln geholt, um Spass zu haben, ergänzt Zweifel mit einem Lachen. «Was will man mehr.»

Auch wenn er eine Gage und Kilometergeld bekam, das monetäre sei absolut zweitrangig. «Die Erfahrungen, die ich machen durfte, sind unbezahlbar.» Wie das Kompliment von TV-Moderator Joachim Llambi, der bei der Musikshow im Promi-Rateteam dabei war. Dieses hat keine Entscheidungsmacht, ratet aber mit und sorgt mit seinen Sprüchen für viele Lacher. «Bereits während der Sendung sagte er zu den anderen: Wieso soll RTL einen Lokführer aus der Schweiz nach Deutschland karren, wenn der nichts kann?» Llambi habe nie am Linthaler gezweifelt und ihm dies auf dem Parkplatz nach der Show auch mitgeteilt. «Er hat mir zu meiner tollen Leistung gratuliert.»

Das Jahr ist gerettet

Solche Erlebnisse, die Zusammenarbeit mit Juliette Schoppmann, die wohl bekannteste Gesangstrainerin Deutschlands, oder das gesamte Erlebnis seien mehr wert als Geld. «Das kann mir niemand mehr nehmen», zeigt sich Zweifel rundum zufrieden. Und zuschauermässig sei dieses Jahr sowieso gerettet.

Die Moral der Geschichte: Nicht alles, was im Eingang des Messengers landet, ist Müll. Ein weisses Tuch ist vielseitig einsetzbar, und man kann auch als Gewinner aus einer Musikshow herausgehen, selbst wenn man nicht gewonnen hat. So wie Hanspeter Zweifel.

Paul Hösli ist Redaktor bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda. Wenn er keine Artikel über das regionale Geschehen verfasst, produziert er die Zeitung. Zudem ist er der Stellvertreter von Ruedi Gubser für das Ressort Sport. Er ist seit 1997 bei der «Südostschweiz», im Jahr 2013 wechselte er intern von der Druckvorstufe in die Redaktion. Zuerst in einem 40-Prozent-Pensum und seit 2016 zu 100 Prozent. Mehr Infos

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