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«Söma no… go Spiisacha poschta?»

Warenhäuser sind mir ein Gräuel, grosse Menschenmengen ebenso. An Sonntagen schätze ich die ein bisschen freie Zeit, an Weihnachten vor allem das gute Essen und ein kleines, aufmerksames Geschenk eines Mitmenschen. Wie findet das mein kleiner Sohn? Über Weihnachtseinkäufe und das Leben von Antworten, die man gar nicht kennt.

Simone
Zwinggi
18.12.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

Am liebsten kaufe ich Bücher. Kleine, grosse, dicke, dünne. Sie nehmen mich mit in frühere Zeiten und in ferne Länder, lassen mich teilhaben an Sehnsüchten, Träumen und Leiden und zeigen, wie sehr er sich lohnt, hartnäckig seine Ziele zu verfolgen oder aus Liebe an das zu glauben, woran sonst niemand mehr glaubt. Beim Lesen tauche ich ein und vergesse den Alltag, lerne etwas und werde inspiriert. Ist es draussen dunkel oder einfach kalt, nass und grau, reichen mir ein gutes Buch und eine Tasse Tee. Dass andere in dieser Zeit lieber in die Stadt gehen zum «Lädela», finde ich rätselhaft.

«Was söllemer hüt macha?», frage ich ab und zu unseren kleinen Sohn, der im Frühling zwei wurde. In der Hoffnung, er habe eine Idee (die mir manchmal fehlt) und um seine Fantasie anzuregen. Seit er immer verständlicher spricht, nimmt er mir diese Frage manchmal vorweg. Ab und zu hat er sogar bereits einen Vorschlag parat. Das klingt dann manchmal so: «Söma no go Autokaan poschta?» Was ich nicht einfach bejahen kann, weil ich ja nicht gerne einkaufen gehe und weil er sonst am nächsten Tag eine neue Idee hätte, was wir noch kaufen könnten, und unsere Wohnung vor lauter Spielsachen aus allen Nähten platzen würde.

Bücher kaufe ich nicht nur gerne für mich, sondern auch für andere. Für kleine wie auch für grosse Menschen. Am liebsten für solche, die ich oft sehe – dann kann ich das Buch problemlos ausleihen und innert nützlicher Frist wieder zurückbringen. Genau genommen also nicht ganz uneigennützig.

Jetzt ist bald Weihnachten, und Ihr ahnt, welche Herausforderungen und Fragen mich in dieser Zeit beschäftigen. Wie langweilig ist es, meiner Mutter – sie mag in etwa dieselben Bücher wie ich – schon wieder einen spannenden Roman zu schenken? Wie geh ich mit meinem Sohn einkaufen, ohne dass wir nur mit einer Tasche voll Spielwaren und dennoch zufrieden zurückkehren? Und vor allem: Wie bring ich gemütliche Freizeit und einkaufen im Weihnachtsgetümmel unter einen Hut?

Im Leben gehe es nicht darum, die richtigen Antworten zu finden, sondern sich die richtigen Fragen zu stellen, pflegte ein weiser Lehrer zu uns zu sagen. Es komme die Zeit, in der man in die Antworten hineinlebe. So werde ich mich vermutlich – voller Fragen, aber ohne Antworten – in den verbleibenden Tagen bis Weihnachten dann auf den Weg in die Stadt machen, wenn viele andere am Arbeiten sind. Als Fast-Vollzeit-Mami geht das. Ich werde vermutliche kleine Läden aufsuchen, die keine Kinderspielsachen verkaufen, um meinen Sohn nicht abzulenken. Vermutlich werde ich mir zuhause Gedanken darüber machen, welches spannende Buch mir kürzlich empfohlen wurde – mir fällt vermutlich jemand in meinem Umfeld ein, der dieses Buch auch gerne lesen würde.

Aber da gibt ist noch etwas. Seit Herbstbeginn spricht der kleine Mann an meiner Seite von diesem Autokran, den er «poschta» will. Obwohl Weihnachten für ihn noch schwierig zu begreifen ist, haben wir ihm erklärt, dass er sich diesen vom Christkind wünschen kann. Und bei uns ein paar Fragen auftauchen liess. Wie gross soll der Kran sein? Aus Plastik, Holz oder Metall? Von wem kann er sich dieses Geschenk wünschen, das doch eher teuer ist?

Ich lebte sorgenfrei weiter, weil Weihnachten zu diesem Zeitpunkt noch weit weg war und weil Fahrzeuge sowieso eher Männersachen sind. Der grosse Mann an meiner Seite lebte die Antworten, indem er sich via Internet schlau machte über allerlei verschiedene Modelle. Noch intensiver lebt er seine Antworten seit etwa zwei Wochen. Seine Recherchen nämlich brachten ihn zum Schluss, dass es das, was er für seinen Sohn sucht, noch gar nicht gibt. Also sägt, schraubt, hämmert und leimt er wann immer möglich an diesem Gebilde. Und ich? Ich warte ab. Sollte der Seilwinden-Mechanismus nicht funktionieren oder der Kranarm plötzlich brechen, werde ich die vermutlich einzig mögliche Antwort leben, die es kurz vor dem Weihnachtsfest noch gibt: Zum Sonntagsverkauf in die Stadt düsen und hoffen, es lasse sich das noch finden, wovon unser Sohn seit knapp drei Monaten spricht. Weihnachtsgetümmel und Konsumrausch hin oder her. «Augen zu und durch», könnte eine mögliche Antwort sein.

Simone Zwinggi ist Redaktorin bei Zeitung und Online. Nach einem Sportstudium wendete sie sich dem Journalismus zu. Sie ist hauptberuflich Mutter, arbeitet in einem Teilzeitpensum bei der «Südostschweiz» und hält Anekdoten aus ihrem Familienleben in regelmässigen Abständen im Blog Breistift fest. Mehr Infos

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Simone Zwinggi schreibt:
Im Leben gehe es nicht darum, die richtigen Antworten zu finden, sondern sich die richtigen Fragen zu stellen.
Weihnachtsgetümmel und Konsumrausch hin oder her. «Augen zu und durch», könnte eine mögliche Antwort sein.
Ich schreibe:
Falsche Frage.
Zauberwort: Konsumstreik.
Wenn schon, via ricardo.ch tutti.ch & Co. Used/Recycling und Entdecken, Beispiel Desigual.
Die guten Bücher sind praktisch ausgestorben wie die Arten (Flora/Fauna).
Das picassosuperb illustrierte "Bilderbuch für Erwachsene" von Haruki Murakami «Die Bäckereiüberfälle» ist ein schwacher Trost.

Geschenke ist so eine Sache.Meistens ist man im Haushalt eingedeckt mit Geräten .Zudem ein Buch kaufen das einmal gelesen wird und dann wieder im Hause rumsteht.In der heutigen Zeit ist man mit den digitalen Geräten vollends eingedeckt ob das Buch lesen oder sämtliche Informationen über das Weltgeschehen.Auch mit Kleider schenken, wenn man die Grösse nicht weiss was soll das.Oder man macht es so wie diese Leute die ein Kleid bei Zalando bestellen ,es tragen und nächste Woche wieder zurück schicken.Also in dem Sinn: Fröhliche Weihnachten."Stille mich du Fröhliche.

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