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Wenn das Romanische die Berufskarriere gefährdet

Romanisch als Karriererisiko: Die Exportwirtschaft stimmt dieser umstrittenen Aussage von Hamilton-CEO Andreas Wieland zu. Die Rumantschia fordert zu einer differenzierten Betrachtungsweise auf.

Südostschweiz
23.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von Olivier Berger

Chur. – Es war starker Tobak, was Andreas Wieland, CEO der Bonaduzer Hamilton AG, vergangene Woche den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer zweitägigen Fachtagung zur Mehrsprachigkeit in Chur vorsetzte. «Es fällt mir auf, dass Romanen, die sich bei uns bewerben, die deutsche Sprache oft ungenügend beherrschen», liess Wieland via Videobotschaft verlauten. «Für diese Leute ist das Romanische nicht karrierefördernd, sondern eher ein Grund, Zusatzschlaufen drehen zu müssen.»Wieland ist nicht der einzige Wirtschaftsvertreter, der sich um die Sprachkompetenzen junger Bündnerinnen und Bündner sorgt. «Zurzeit werden in Graubünden zu viele Sprachen unterrichtet», sagt etwa Daniel Waldvogel, Leiter Personal bei der Ems Chemie AG. Das führe zu einer Verzettelung der Sprachkompetenzen «und gleichzeitig noch zu einer Vernachlässigung der naturwissenschaftlichen Fächer».Für Waldvogel ist die Förderung der Kantonssprachen mitverantwortlich für die «oft ungenügenden» Sprachkenntnisse von Bündner Oberstufenabgängern in Deutsch und Englisch. «Die Deutschkenntnisse haben durch die Förderung von Romanisch und Italienisch abgenommen.» Bei der Ems Chemie AG seien lediglich Deutsch und Englisch von Bedeutung.Auch für Marco Ettisberger, Direktor von Handelskammer und Arbeitgeberverband Graubünden, sind Italienisch und Romanisch im wirtschaftlichen Alltag wenig gefragt, «weil bei uns das wirtschaftliche Leben überwiegend in Deutsch stattfindet. Italienisch hilft nur beschränkt weiter und Romanisch praktisch gar nicht.»Ettisberger verweist auf die Tatsache, dass schon heute Studierende an einigen Schweizer Fachhochschulen nicht mehr aufgenommen werden, wenn sie als einziger Fremdsprache des Italienischen mächtig sind. Dazu komme, dass mangelnde Sprachkenntnisse in Zeiten der Personenfreizügigkeit zum Hemmschuh würden. «Wobei man fairnesshalber festhalten muss, dass die mangelnden Deutschkenntnisse nicht nur ein Problem von Personen mit romanischer Muttersprache sind, sondern auch eines Teils der deutschsprachigen Bevölkerung.

«Ein Problem, das existiert»

Wielands Äusserungen haben zwar in einem Teil der romanischen Gemeinschaft Kritik ausgelöst. Ganz von der Hand zu weisen seien sie aber nicht, sagt Urs Cadruvi, Generalsekretär der romanischen Sprachorganisation Lia Rumantscha. Aus Wielands Warte seien diese «verständlich, er spricht ein Problem an, das existiert». Allerdings griffen die Aussagen in der vorliegenden Form zu kurz. «Ich würde von ihm eigentlich differenziertere Überlegungen erwarten.»So sei die romanische Bevölkerung durchaus in der Lage, neben Deutsch auch Englisch zu lernen. «Der Zugang zum Englischen wird aber dadurch erschwert, das Romaninnen und Romanen Englisch auf dem Umweg über die deutsche Sprache lernen müssen.» Neue Modelle seien gefragt: «Etwa, indem im Schulunterricht auch ein Teil der übrigen Fächer in einer Fremdsprache unterrichtet wird.»

Deutschkenntnisse nicht schlechter

Cadruvi glaubt allerdings nicht, dass Romanen schlechter Deutsch sprechen. «Es gibt eine Reihe von Studien, die belegen, dass die romanischen Schulabgänger mindestens ebenso gut Deutsch schreiben wie ihre deutschsprachigen Altersgenossen.»Sollte Romanisch wirklich ein Karrierehemmnis sein, gälte das wohl lediglich für Industrie und Exportwirtschaft. Bei den Gewerbebetrieben, so der Bündner Gewerbedirektor Jürg Michel, habe man mit der Dreisprachigkeit überhaupt kein Problem.

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