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Fehlstart statt Neuanfang

Der Bundesrat sollte sich von der Parteipolitik fernhalten. Mit der Wahl der zwei Konkordanzpolitiker Simonetta Sommaruga und Johann Schneider-Ammann schien dieser in der jüngeren Vergangenheit sträflich vernachlässigte Grundsatz wieder zu Ehren zu kommen.

Südostschweiz
28.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von David Sieber

Zumal mit Doris Leuthard eine CVP-Politikerin an der Spitze des Gremiums steht, die sich dem Ausgleich und nicht der Polarisierung verpflichtet fühlt.Doch weit gefehlt. Die gestrige Departementsverteilung geriet mit Blick auf die Parlamentswahlen 2011 zur parteitaktischen Übung. Agrarfreihandels-Turbo Leuthard geht ins Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation und beendet damit das Dilemma ihrer Partei, die sich zwecks Hege ihres Stimmviehs einer konservativen Landwirtschaftspolitik verschrieben hat. Zudem darf die Atomlobby ein Fass aufmachen, schliesslich nimmt sich nun eine ehemalige Stromkonzern-Verwaltungsrätin des von Moritz Leuenberger erfolgreich torpedierten Dossiers an.Und der SP wurde so richtig der Meister gezeigt. Dass mit Sommaruga eine Nichtjuristin das Justiz- und Polizeidepartement übernehmen muss, ist nicht das Problem. Im Gegenteil. Es macht gar nichts, wenn jemand mit einem frischen und unverstellten Blick die Legiferierung überwacht. Die Bü-Bü-Bündnerfleisch-Verordnung lässt grüssen. Dass aber ausgerechnet eine Exponentin jener Partei, die sich stets für eine humane Ausländer- und Asylpolitik ausgesprochen hat, die sehr harten Gesetze umsetzen muss, kann nur als zynisch bezeichnet werden.Und schliesslich stösst sauer auf, dass Eveline Widmer-Schlumpf ins Finanzdepartement wechselt. Nicht wegen ihrer Fähigkeiten. Die lassen diesen Transfer fast zwingend erscheinen. Aber das politische Signal ist verheerend. Dass man einer Vertreterin einer Kleinpartei einen Posten zuschanzt, den sie im Dezember 2011 wohl wieder räumen muss, riecht nach Mauschelei. Die Mitteparteien haben sich durchgesetzt. Zum hohen Preis wachsender Politikverdrossenheit. Der «neue» Bundesrat hat einen Fehlstart hingelegt.

dsieber@suedostschweiz.ch

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