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Die unendliche Geschichte eines Parlamentsgeschäftes

In den parlamentarischen Verhandlungen spielen auch strategische Überlegungen mit, die zu grotesken Abläufen führen können. Ein Beispiel dafür ist die Behandlung des Geschäfts «Ratifizierung der Protokolle zur Alpenkonvention».

Südostschweiz
28.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von Sep Cathomas*

Um die gemeinsamen Probleme grenzüberschreitend angehen zu können, haben die Alpenstaaten im Jahr 1989 eine Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung einer Vereinbarung beauftragt. Die Schweiz war in der Arbeitsgruppe vertreten und brachte in diesem Zusammenhang verschiedene Anträge ein, insbesondere in den für das Schweizer Staatsverständnis und die Bergregionen wichtigen Bereichen betreffend Subsidiarität, Mitsprache der Bevölkerung und regionale Förderung.Die Rahmenkonvention trat international im März 1995 in Kraft. Die Schweiz ratifizierte dieses Abkommen Anfang 1998. Die Genehmigung der dazugehörenden neun Protokolle wurde vom Parlament zurückgesetzt. In der Folge fand im Jahr 2001 eine Konferenz vom Bund und Kantonen statt, die wie bereits an der ersten Zusammenkunft 1996 die Tatsache bestätigte, dass die Umsetzung der Protokolle keine Anpassungen auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe zur Folge haben wird.

Rückweisung beschlossen

Anfang März 2003 trat der Ständerat auf das Geschäft ein, beschloss aber gleichzeitig eine Rückweisung an die Kommission – dies mit dem Auftrag zu prüfen, ob die Umsetzung der Protokolle einen Einfluss auf die Gesetzes- und Verordnungsstufe zur Folge haben könnte. Ein Jahr später, 2004, ratifizierte der Ständerat auf Antrag der Kommission drei der neun Protokolle. Anschliessend wurde aufgrund einer Motion ein weiterer Expertenbericht im Auftrag gegeben, mit dem Ziel, die Auswirkungen bei einer Ratifizierung der Protokolle auf unsere Gesetzgebung zu prüfen. Ein weiteres Mal kam diese Studie zum Schluss, dass eine Ratifizierung keine einschränkenden Massnahmen oder sogar Gesetzesänderungen zur Folge haben wird.

Nicht auf das Geschäft eingetreten

Im November vergangenen Jahres, fünf Jahre nach dem Beschluss des Ständerats, behandelte die nationalrätliche Kommission das Geschäft wieder. Im gleichen Jahr beschloss der Nationalrat mit 97:94 Stimmen, nicht auf das Geschäft einzutreten. In der Folge landete das Vorhaben wieder an den Ständerat, welcher im Juni dieses Jahres seinen ehemaligen Beschluss von 2004 mit der Genehmigung von drei Protokollen ein zweites Mal bestätigte.In der Herbstsession ist das Geschäft nun, rund zehn Jahre nach Beginn der Verhandlungen, wieder beim Nationalrat traktandiert. Und es wird – wenn es nach der Kommissionsmehrheit geht – ein weiteres Mal abgelehnt. Dies mit der paradoxen Begründung, das Abkommen schränke die bestehende Gesetzgebung ein.Die zögernde Behandlung und schlimmstenfalls die Ablehnung der Vorlage ist gegenüber unseren Partnern in den Alpenländern ein schlechtes Zeichen. Die Alpenkantone und deren Bevölkerung sind die Verlierer, aber auch das Image der Schweiz wird darunter leiden. Eine traurige und für unser Parlament unrühmliche – aber eine wahre Geschichte ...

* Sep Cathomas ist CVP-Nationalrat, er lebt in Brigels.In der Rubrik «Direkt aus Bern» kommen während der Session des Bundesparlaments abwechselnd alle Bündner National- und Ständeräte zu Wort.

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