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Die erste Burnout-Klinik ist eröffnet

Am 1. Oktober beginnt in der Clinica Holistica Engiadina in Susch der stationäre Betrieb. Gestern haben zahlreiche Interessierte die Gelegenheit genutzt, das Innere der ersten Burnout-Klinik der Schweiz in Augenschein zu nehmen.

Südostschweiz
27.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von Fadrina Hofmann

Susch. – Das Interesse für das «Zentrum für Stressfolgeerkrankungen» im Herzen von Susch ist gross. Das neue, gelb gestrichene Gebäude übte gestern auf die Bevölkerung eine magnetische Wirkung aus. Vor allem die Einheimischen wollten sehen, was da für rund zehn Millionen Franken gebaut wurde. Die Chefärztin der neuen Klinik, Doris Straus, nahm sich Zeit für einen Rundgang mit den Medienvertretern. 36 Zimmer und fünf Suiten sind im Gebäude untergebracht. Die Zimmer sind alle hell und mit wenigen Gegenständen möbliert. Fernseher gibt es keine.Ein Blick aus dem Fenster zeigt den ruhig fliessenden Inn, Felsen und alte Häuser. «Hier muss man nur aus dem Fenster schauen und schon wird man gesund», meinte ein Besucher. Für die Patienten sind Therapieräume für Körper und Seele vorhanden, ein Wellnessbereich und ein moderner Fitnesstrakt. Der Gebäudetrakt, der als Speisesaal dient, war vorher ein Hotel. Die erste Burnout-Klinik der Schweiz hat den Charakter eines gehobenen Hotelbetriebs. Hier sollen sich sowohl die Patienten als auch ihre Angehörigen wohl fühlen, erklärte Straus.

«Viele haben verlernt zu leben»

Stress im Beruf fügt nicht nur psychische, sondern auch körperliche Schäden zu. Darum bieten Straus und ihr Team den Kunden ein breites psychotherapeutisch-psychosomatisches Behandungsangebot. «Über Burnout wird viel berichtet, aber leider wird diese Krankheit auch bagatellisiert», sagte die Chefärztin. Burnout sei eine ernsthafte Erkrankung, die sogar zum Tod führen könne. In der Klinik wird der Patient individuell und ganzheitlich behandelt.Warum entstand gerade in Susch ein so innovatives Projekt? Die geografische Lage ist eines der Pluspunkte des Dorfes am Fusse des Flüelapasses. «Wer wegen Burnout krank geschrieben wird, sollte nicht zu Hause bleiben, denn dann beginnt das Grübeln», so die Expertin. Die geografische Distanz sei auch eine Distanz zu den Stressfaktoren und ermögliche damit eine Auseinandersetzung mit sich selber. «Viele Menschen haben verlernt zu leben, zu geniessen, sich Zeit zu nehmen, und das ist an diesem Kraftort mitten in den Bergen möglich», meinte die Chefärztin.

Unternehmungen buchen Zimmer

Das Bedürfnis eines Zentrums für Stressfolgeerkrankungen ist vorhanden. Gemäss Marco Candreia, Verwaltungsrat der Klinik und Aktionär, ist die Nachfrage gross: «Wir haben viele Anfragen, und bereits gibt es Unternehmungen, die Zimmer für ihre Mitarbeiter reservieren möchten.» Vor allem im Bank- und im Versicherungswesen scheint Burnout ein zunehmendes Problem zu werden. Mehrheitsaktionär und Verwaltungsratspräsident der Klinik ist der Einheimische Matthias Bulfoni.In Susch bleiben die Patienten je nach Krankheitsstand zwischen zwei Wochen und zwei Monaten. Damit die erkrankte Person nach dem Klinikaufenthalt nicht wieder zurück in alte Muster fällt, wird eine Intervallbehandlung gemacht. Der Patient wird zusätzlich ambulant behandelt. Eine erste Aussenstelle der Clinica Holistica Engiadina befindet sich in Zürich, weitere sollen in München und Hamburg folgen. Im Oktober wird die erste Gruppe mit zehn bis 20 Patienten in Susch erwartet.

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