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Bianca Barandun, Kunstpreisträgerin 2024: «Ich habe bisher ein sehr schönes Jahr»

Bianca Barandun verrät im Interview, wie der Ausstellungsort ihre Kunst beeinflusst und wie ihr vergangenes Jahr war. Sie ist Trägerin des diesjährigen Kunstpreises des Bündner Kunstvereins.

Bündner Woche
21.03.24 - 04:30 Uhr
Menschen & Schicksale

von Susanna Bosch

Bianca Barandun ist in ihrem Studio im deutschen Essen, als sie den Videoanruf entgegennimmt. Wenige Tage zuvor war sie noch im gut 700 Kilometer südlich gelegenen Rodels, wo die Künstlerin ebenfalls lebt und arbeitet. Im Domleschg ist Bianca Barandun geboren und aufgewachsen, bevor die Familie nach St. Gallen zog. Seither hat sie in Zürich, Hamburg und London gelebt und studiert. Erst widmete Bianca Barandun sich der wissenschaftlichen Illustration, seit einigen Jahren arbeitet und experimentiert die Künstlerin aber mit verschiedenen Materialien und Techniken. Aus ihren Zeichnungen entwickelt sie Skulpturen, die
bisher in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen international gezeigt wurden. In ihren Arbeiten zu Silos, die in der vergangenen Jahresausstellung des Bündner Kunsthauses zu sehen waren, setzt sich Bianca Barandun mit Sprache und der Umwandlung von Erinnerung in Bildern auseinander. Darüber wollen wir sprechen.

Bianca Barandun, was macht das Thema Erinnerungen so interessant für Sie?

Bianca Barandun: Unser Gedächtnis formt Erinnerungen in Sprache um. Gedanken in Worte zu fassen, ist oftmals sehr schwierig – dieser Prozess hat mich schon lange wahnsinnig interessiert.

Für meine Arbeit Silos habe ich Interviews mit Menschen geführt, die mir ihre Erinnerungen ausschliesslich in Farben und Formen beschrieben haben. Aus den Protokollen entstanden sehr abstrakte Texte. Diese dienten mir als Grundlage, Figuren zu skizzieren und in einem nächsten Schritt Skulpturen zu giessen.

Die Interviews habe ich in der Schweiz, Deutschland und Dänemark geführt. Ich ging davon aus, dass sich die Wortwahl und Beschreibungen je nach Interviewort verändern und meine Skulpturen letztlich einen regionsspezifischen Ausdruck annehmen würden. Diese Vermutung hat sich bestätigt. Genauso wie es zum Beispiel für das Wort Schnee in gewissen Regionen einen Begriff und in Berggebieten aber verschiedene spezifische Ausdrücke gibt, variiert auch die Versprachlichung von Erinnerungen je nach Ort und Kultur.

Weshalb finden Sie Inspiration in der Sprache beziehungsweise Kommunikationswissenschaft?

In meiner Arbeit werden Gedanken versprachlicht und ins Visuelle umgesetzt. Ich fertige die Arbeiten zu Silos in vielen Teilschritten an und bediene mich dabei verschiedener Materialien und Techniken.

Die Arbeit an den Silos eignet sich sehr gut, um die Schnittstellen zwischen Druckgrafik, Zeichnung und Skulptur auszuloten und verschiedene Techniken miteinander zu verbinden.

Am längsten dauert jeweils der Prozess der Formfindung. Dafür sitze ich sehr lange da, lese die Interviews und skizziere so lange, bis die ganzen Wände in meinem Atelier mit Zeichnungen behangen sind. In einem nächsten Schritt muss ich mich entscheiden, aus welchen Skizzen dreidimensionale Keramikskulpturen entstehen sollen. Während des Gussprozesses muss alles sehr schnell gehen, weil die Materialien innerhalb weniger Minuten trocknen. Dann ist alles bereit, am Boden angeordnet und ich renne von einer Gussform zur nächsten – das ist ein bisschen wie ein Tanz.

Wie beeinflusst der Ausstellungsort Ihre Kunst?

Die Skulptur ist für mich eine Art Zeichnung in drei Dimensionen, die aus verschiedenen Perspektiven erlebbar ist. Am liebsten ist es mir, wenn ich den Umfang eines Ausstellungsraums vorab kenne und ich mir bereits anhand der Skizzen genaue Choreografien für die Skulpturen überlegen kann.

Die hohen Wände im Bündner Kunstmuseum waren ideal, um die Arbeiten über- und nebeneinander anzuordnen. So entstand zwischen den Skulpturen eine gemeinsame Dynamik, die schon aus der Weite eine grafische Wirkung hatte und aus der Nähe noch einmal anders entdeckt werden konnte.

Wie blicken Sie auf Ihre Einzelausstellung im Bündner Kunstmuseum?

Das ist eine tolle Chance! Auch weil ich die Räumlichkeiten schon kenne und so weiss, was möglich ist. In Hinblick auf die Einzelausstellung möchte ich gerne etwas anders arbeiten als gewohnt: mehr installativ und weniger Skulpturen an der Wand. Darauf freue ich mich sehr. Ausserdem hat das Bündner Kunstmuseum ein tolles Team, weshalb ich mich auf die Zusammenarbeit freue. Es ist extrem viel wert, wenn du dich mit den Leuten gut verstehst. Denn letztlich steckt einfach sehr viel Arbeit hinter einer Ausstellung.

Mit welchen Herausforderungen sind Sie momentan konfrontiert?

Ich habe bisher ein sehr schönes Jahr. Von der La Bibi Galerie in Mallorca wurde ich zu einer Gruppenausstellung eingeladen, die im November 2024 stattfinden wird. Dafür kann ich bereits im Mai einen Monat Residenz in Palma machen. Ich freue mich sehr über diese Möglichkeit. Gleichzeitig nehmen Planung und Organisation extrem viel Zeit in Anspruch. Neben den Ausstellungen in der Schweiz und Spanien bereite ich mich auch auf die Teilnahme an zwei Ausstellungen in Deutschland vor und es gibt immer viel zu koordinieren. Manchmal verbringe ich 80 Prozent meiner Zeit am Schreibtisch, um Konzepte zu entwickeln oder Anträge zu schreiben. Wann mache ich was? Wie kommt das Material zu mir? Abläufe koordinieren, organisieren, planen – das beschäftigt mich gerade sehr. Am schönsten ist es, wenn ich im Studio bin und mit neuen Materialien experimentieren kann.

Als Trägerin des Kunstpreises des Bündner Kunstvereins 2024 wird Bianca Barandun ihre Kunst in der kommenden Jahresausstellung des Bündner Kunsthauses einzeln präsentieren können. Eine Skulptur aus ihren Arbeiten zu Silos wird noch bis am 19. Mai 2024 im Museum Bickel in Walenstadt zu sehen.

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