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Glarner Ziegenhalter kritisiert SRF-Sendung

Eine SRF-Moderatorin wandert durch die Schweiz, begleitet von zwei Wanderziegen. Was unterhaltsam klingt, ist für einen Glarner Ziegen-Experten kritisch zu hinterfragen.

27.06.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Selbst ernannter Ziegenpeter: Werner Bleisch kümmert sich liebevoll um seine Packziegen, die für ihn mittlerweile zur Familie gehören.
Selbst ernannter Ziegenpeter: Werner Bleisch kümmert sich liebevoll um seine Packziegen, die für ihn mittlerweile zur Familie gehören.
Bild Sasi Subramaniam 

Die Fernsehsendung«SRF bi de Lüt: Wunderland – Geissentour» begeistert seit dem 9. Juni viele Zuschauerinnen und Zuschauer im heimischen Wohnzimmer. Jeden Freitagabend kann seither beobachtet werden, wie Moderatorin Nicole Berchtold mit zwei Ziegen vom Bielersee nach Nidwalden wandert, insgesamt 150 Kilometer in verschiedenen Etappen. Die tierischen Begleiter erwärmten auch das Herz des Glarner Packziegen-Halters Werner Bleisch. Doch er hat Mühe damit, wie mit ihnen umgegangen wird.

Optimale Haltungsbedingungen

Werner Bleisch verfolgte die erste ausgestrahlte Sendung des SRF-Formats gespannt. Der 61-jährige Glarner hat fast 20 Jahre Erfahrung im Umgang mit der Haltung von Packziegen. Aktuell hält er in Sool 18 kastrierte Ziegenböcke, führt ein Jurtencamp und bietet auch Erlebnispädagogische und sozialtherapeutische Angebote an: Bei ihm können Kinder die Geissen streicheln und Zeit mit ihnen verbringen. Viele Dinge seien ihm beim Schauen der Sendung daher sofort ins Auge gefallen, die andere vielleicht gar nicht bemerkt hätten, sagt Bleisch. So auch, dass die Ziegen gemeinsam mit Yaks auf einer Wiese standen. Dies sei sehr kritisch zu betrachten, denn zum einen würden die Tiere schon aufgrund ihrer verschiedenen Essgewohnheiten nicht zusammenpassen. 

«Die Ziegenhaltung ist anspruchsvoll, wenn man will, dass die Ziege lange lebt», sagt Bleisch. Mit einer normalen Stallhaltung würden die Tiere vielleicht maximal acht Jahre alt werden. Ziegen bräuchten ein abwechslungsreiches Territorium und vor allem Beschäftigung. «Ich werde immer wieder gefragt, ob ich meine Geissen vermiete, aber das könnte ich ihnen nicht antun», so Bleisch. Denn für eine Ziege sei es sehr schwierig, nicht in ihrem gewohnten Umfeld zu sein. Er selbst biete seine Packziegen ebenfalls tagsüber zum Wandern an, abends wären sie aber immer zurück im heimischen Stall. Eine Ausnahme sei der Alpsommer, denn diesen würden die Ziegen gemeinsam verbringen.

Der Stolz einer Ziege

Werner Bleisch stört sich in der Sendung vor allem daran, dass die Besitzerin der Wanderziegen der Moderatorin erklärt hat, sie solle die Hörner anfassen, wenn es ihrer Ansicht nach nicht anders ginge, und es daraufhin gleich demonstrierte. Diese sind entsprechend empfindlich, da Ziegen die eigene Körpertemperatur über ihre Hörner regulieren. 

Bleisch sieht das Anfassen der Ziegenhörner als ein absolutes Tabu, egal in welcher Situation: «Das ist eine grosse Ehrverletzung dem Tier gegenüber.» Es gebe genug andere Möglichkeiten, eine Ziege wenn nötig zurechtzuweisen. «Die Ziege verliert den Respekt vor dem Menschen, und die Verletzungsgefahr steigt», gibt Bleisch zu bedenken. Gerade auf einer so langen gemeinsamen Reise sei gegenseitiger Respekt aber unabdinglich. Bleisch hat die Befürchtung, dass ein im Fernsehen öffentlich ausgestrahlter fraglicher Umgang mit den Tieren zu Fehlinformationen führe. 

Besitzerin weist Kritik von sich

«Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Ziegen es nicht mögen, an den Hörnern angepackt zu werden», erklärt Anita Hirschi. Sie ist Inhaberin des Gnadentierhofes «Zoo Zahir» in Lamboing (BE) und Besitzerin der Wanderziegen, die im SRF-Format gezeigt werden. Sie habe in der Sendung durchaus deutlich gemacht, dass dies nur im absoluten Notfall gemacht werden solle. Zudem sei das Wanderprojekt in Zusammenarbeit mit dem SRF eine Ausnahme gewesen: «Im Gegensatz zu Bleisch vermiete ich meine Ziegen nicht.» Hirschi legt ihm nahe, ihren Hof einmal selbst zu besuchen, um sich einen Eindruck zu verschaffen, der nicht ausschliesslich auf einer Fernsehsendung beruhe. 

«Für mich tönt das sehr nach Wichtigtuerei, wenn man aus einer Minute Fernsehzeit herausgelesen haben will, wie die eigentliche Ziegenhaltung bei mir aussieht», sagt Anita Hirschi. Sie zeigt sich anhand Bleischs Aussagen empört. Als diplomierte Wildpflegerin halte sie seit 30 Jahren Tiere und bringe viel Erfahrung mit. Ihre Weidefläche sei mit einem Hektar sehr gross sowie abwechslungsreich und mit Holz und Steinhäufen versehen. «Ab April, wenn das Gras zu wachsen beginnt, sind die Yaks bereits auf dem Berg.» Lediglich während der Wintermonate würden sie sich die Weide teilen.

Den Aussagen von Belina Schiesser, Produzentin der Fernsehsendung «SRF bi de Lüt: Wunderland – Die Geissentour» zufolge sollen beide Wanderziegen bereits Fernseherfahrung gesammelt haben. Im Jahr 2021 standen sie neben zahlreichen anderen Tieren aus dem Zoo Hirschis im Rahmen eines mehrtägigen Drehs der Reihe «SRF bi de Lüt: echte Tierhelden» vor der Kamera.

Stress geht an Substanz 

Werner Bleisch ist sich sicher, dass dem SRF bei den Recherchen schlicht nicht bewusst war, was eine artgerechte Ziegenhaltung ist. Sein erst kürzlich verstorbener Geissbock Bino spielte 2017 eine Statistenrolle in der SRF-Krimiserie «Wilder». Bleisch wolle lediglich bezüglich falscher Informationen zum Umgang mit und zur Haltung von Ziegen aufklären. Denn was ihm schlussendlich am meisten am Herzen liege, seien die Ziegen.

Bleisch bezieht sich in seiner Kritik auch auf die nächtlichen Unterbringungen der Ziegen während der Tour. Diese seien nicht immer optimal gewesen. «Dort wo die Ziegen zu Hause sind, haben sie Ruhe und können sich zurückziehen», so Bleisch. Auf einer solchen Tour kann dies über einen längeren Zeitraum nicht gewährleistet werden. Die Ziegen seien dadurch enormem Stress ausgesetzt, der an ihre Substanz gehe: «Das ist eine hohe Strapaze für die Tiere.» Wie viel Stress es für die Tiere sei, sehe man auch anhand der beiden Ziegen in der Fernsehsendung, so Bleisch: «Die schüchterne Ziege ist diejenige, welche immer zuhinterst mitläuft. Sie zögert sehr stark und viel.»

Im Austausch mit Tierärzten

Belina Schiesser gibt an, beide Wanderziegen seien während der gesamten Produktionsdauer von einem geschulten Team von Tierärzten und der Besitzerin betreut gewesen. Ebenfalls hätten weitere Mitarbeitende des Teams dafür gesorgt, dass die Ziegen während des Drehs konsequent angemessen versorgt und betreut wurden. Zudem seien Ruhepausen und Ruhetage in die Tour eingeplant worden, um sicherzustellen, dass die Tiere nicht überfordert seien. Beide Ziegen seien sehr erfahrene Wanderziegen, die mit ihrer Besitzerin regelmässig auf Wanderschaft gehen würden. 

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guète Tag,
ich habe die Sendung verfolgt,es ist eine totale Tierquelerei ,wenn ihr meint eine Ziege sei ein Wandertier dann haben sie absolut keine Ahnung was sie an diese sensible aber liebevolle Lebewesen antun ist eine absolute Frechheit. Meine Frage : was haben sie damit erreicht?nächstes mal wandern sie allein oder nehmen sie einen menschlichen Bock mit .
grüsse vom Appenzeller-Land PA.

Was will man erwarten von diesen Selbst Darsteller Sendungen. Billiproduktionen. Hartmann machte es ja vor mit seinen Wanderungen mit seinem Hund und nun wollen sich alle Moderatoren irgendwie out house präsentieren.

Wie sagt man, eifersüchtig der Kritiker wäre lieber mit seinen eigenen Tieren auf diese Wanderschaft!
Alles was man in dieser Sendung nicht sieht ist die Betreuung der Tiere.
Wie bei den Politiker es hat immer jeder recht auch wenn die Kritiker im Bündnerland und die andern im Berneroberland sind

Man soll sich um das richtige Tierleid kümmern.Denn Ziegen geht es gut und die Sendung gefällt mir .Aber es hat schon immer Leute gegeben die in den Mittel Punkt sich drängen sonst wäre er mit sowas nicht an die Öffentlichkeit gegangen .

Wäre es nicht dringlicher, unsere Energie zur allgemeinen Verbesserung der ( Nutz)Tierhaltung zu investieren als über 2 einzelne Individuen, welchen sicherlich grundsätzlich gut geschaut wurde, zu diskutieren?

Ich bewundere das Wissen und Eiinfühlungsvermögen von Werner Bleisch. Und seine tierliebende Zivilcourage, es auch via Medien kundzutun, wo die Bevölkerung wie ich es erfährt, denn sonst wären wir unwissend geblieben.
Oder falschwissend. Denn wie sich die Eigentümerin der Show-Ziegen und SRF samt Tross hier äussern, finde ich nur selbstgerecht. Stattdessen müsste man den Aussagen dieses "Ziegen-Picassos" an den Lippen hängen, wie eine nie vernommene wundersame Melodie, rar wie aussterbende Arten. Heureka.
Selbst wenn es für die zwei gezeigten Ziegen ausschliesslich für die Dreharbeiten so liefe, wie es läuft: Wenn ein falscher oder suboptimaler Umgang mit Ziegen schweizweit dem Laien-Publikum gezeigt wird, kann das via natürlicher Nachahmung im Sinne "so wie es im Fernsehen gezeigt wird, muss es richtig sein" zu falschem Lernen führen: falsches "Schul-Fernsehen".
Und haben wir das nicht eh schon im Überfluss auf unserer armen Welt?
Nochmals herzlichen Dank, Werner Bleisch. Ihr Talent bräuchte es auch in der Humanmedizin bzw. Sozial-/Präventivmedizin bzw. betreffend Massenmenschhaltung Wohnen, wo Lärm (und Luftverschmutzung) als lebensdestruierende Umweltfaktoren ich seit Jahren erforsche:
https://wohnenmusthave.webnode.page/
https://www.suedostschweiz.ch/blogs/breistift/2020-02-21/achtung-tornad…
Wolfgang Reuss 22.02.2020 - 00:33 Uhr
Ein Blizzard, kalter Winter oder Sommergewitter mit grosstropfigem Wolkenbruch samt Duft (erlebte ich seit meiner Kindheit leider nicht mehr; irgendwie scheinen wir in Richtung antidiverses Monowüstenleben abzurutschen) finde ich essenzielle Funktion – auch wenn manche Leute es nur als lästig empfinden, ebenso dürfte es beim hier beschriebenen "Tornado" sein.
Ich denke, die frühkindliche Trotzphase muss eine zentrale Rolle punkto lebenslange Selbstbehauptung, Salutogenese spielen (Unterscheidung Ich und Aussenwelt bzw. Hypothese: Liebe/Hass als Gegensätze nicht an entgegengesetzten Orten im Gehirn zu sein scheinen sondern praktisch an demselben bzw. und und) und gibt es in anderer Form auch später noch, in gesunder und in ungesunder Form möglich.
Wovor man aber auf der Hut sein muss, ist die teilweise "verrückte" Psychologie, die Widernatürliches bzw. Krankmachendes propagiert, wie ich finde, Beispiele:
1) Offenbar insbesondere Trotzphasen betreffend gibt es die "Festhalte-Therapie" (über die "A. Vogels Gesundheitsnachrichten" in Heft 11/1998 – Dr. h.c. Alfred Vogel, berühmt in der Schweiz – einen vierseitigen Bericht/Interview brachten), die ich extremzerstörerisch finde (quasi eine Atombombe für die Seele), https://de.wikipedia.org/wiki/Festhaltetherapie
2) Ein Dogma, das sich leider hartnäckig hält: Man solle gegenüber Traumatisierten Indifferenz demonstrieren. Das finde ich pervers – nichtempathisch, unsolidarisch, kalt sowieso. Beispiel 2.1: Wenn ein Hund beim Feuerwerk Panik/Furcht empfindet, solle man so tun als sei nichts. Da muss einen der Hund doch für verrückt bzw. nichtvertrauenswürdig halten, oder?
Beispiel 2.2: Meine Freundin wurde als kleines Kind im Kindergarten (es war wohl in der Eintrittsphase und sie sagte mir, sie habe sich dort deplaziert gefühlt bei den kindlichen Kindern, sinngemäss, sie habe mit Erwachsenen reifer sprechen können; meine Bemerkung: sie ist hochbegabt) von einer Mit-Kindergärtlerin in die Brennnesseln geworfen, die Kindergärtnerin intervenierte nicht, wie das leider oft bei Mobbing der Fall ist (was mich umso mehr empört angesichts Kindergartenpflicht, wie es heutzutage gilt, wo der Zwang erst recht nicht mit Geplagtwerden verbunden sein darf, Nichtflüchtendürfen). Daraufhin ging am nächsten Tag der Grossvater des kleinen zerbrechlichen Mädchens (das keinen Vater hatte und seit sie auf der Welt ist litt) mit ihr in den Kindergarten und sagte der Kindergärtnerin, dass das Mädchen deshalb nun nicht mehr in den Kindergarten gehe. Worauf das Mädchen auf dem Heimweg hüpfte vor Erleichterung und Freude und ich würde sagen vor allem vor Bewunderung für dieses Denkmal der Zivilcourage. Für mich sind solche Erlebnisse die wertvollsten, prägendsten, existenziellsten in einem Menschenleben.
Hingegen das Dogma heutiger Lemminge-Psychologie scheint das genaue Gegenteil zu predigen bei den Beispielen 1 und 2. Das erinnert mich an eine Psychologiepraktikantin, die mir erklärte, an Stress könne man nicht sterben, und als ich ihr sagte, ich habe Belege (publizierte Artikel und Bücher), antwortete sie nicht etwa „Superinteressant, das muss ich sehen“ sondern: interessiert mich nicht, ich habe es so an der Uni Zürich gelernt. Mein Fazit: Die einen Berufsleute haben Talent/Herz, die andere bekommen ihr Diplom via tumbes Auswendiglernen.
Kommentar zu Artikel über Mobbing im Beobachter:
Wolfgang Reuss
02.05.2022 - 02:46 Uhr
Bonusdogma? "Täter müssen gestärkt werden": Übertragen Sie das mal auf alle Gewalt-Straftäter in der Schweiz (wie Carlos alias Brian) oder auf die Zustände in Mehrparteienhäusern in der Schweiz (Opfer von Dauerlärm, die NZZ nannte es "Akustische Gewalt", ein Beobachter-Anwalt sprach von Körperverletzung) oder auf Poser oder die zunehmenden Angriffe in Öffentlichen Verkehrsmitteln. Antiautoritäre Erziehung, Laisserfaire ist das Gegenteil von Lernen. Lernen (mit einschneidenden Konsequenzen) ist in der Tierwelt (Beispiel: Affenbabies) jedoch naturgesetzliche Lebensvoraussetzung. In der Schule würde ich pro Klasse mehrere SchülerInnen als Mobbingsensoren ernennen (bzw. Whistleblowing offiziell ehren; vgl. sichermelden.ch). Den Täter, der nach der ersten Verwarnung (im Beisein seiner Eltern), weitermobbt, fristlos von der Schule sperren. Klare Regeln statt die heutige schwammige Unentschlossenheit. Zivilcourage. Ich finde: Aus staatlichem Gewaltmonopol plus staatlicher Schulpflicht resultiert zwingende die Staatspflicht, diejenigen zu schützen (lückenlos), die gesetzeskonform sich verhalten, erst recht wenn es sich um Minderjährige handelt.
https://www.blick.ch/wirtschaft/wirtschaftsexperte-werner-vontobel-ordn…
Zitat: Nicht die Gesundheitskosten sind das Problem, sondern unsere Gesundheit
Wirtschaftsexperte Werner Vontobel findet, dass wir nicht mehr artgerecht leben. Dabei wäre es einfacher, gesünder zu leben als an der Gesundheitskostenschraube zu drehen, schreibt Vontobel.

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